Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
Vom Netzwerk:
Blässe ihres Gesichts hatte einen grauen Ton angenommen, der aus der Schwärze unter ihren Augen heruntergesickert zu sein schien. Ich schlug vor, ein Café zu suchen und eine Tasse Tee zu trinken.
    »Gleich. Es ist so wundervoll hier. Einfach schön. Frühling. Frühsommer. Ich werde nie mehr hierherkommen. Mit Adrian könnte ich es nicht. Hier war es, wo wir still und leise in unsere Liebe hineingewachsen sind. Hier hat er mir gesagt ... Ach, schau dir das
alles einfach an! Schau dir diesen ruhelosen Baum an, diesen berstenden Strauch. Diesen Himmel, das tiefste Blau, als würde sich bereits die Dämmerung über ihn legen ... Und weißt du, in diesem Augenblick ist das alles so riesig, daß ich glaube, ich könnte nicht glücklicher sein, ganz einfach, daß man gesegnet ist, wenn man so etwas erleben darf. Aber die Dunkelheit kommt immer. Es ist für jeden dasselbe.«
    Wieder zitterte sie. Mir war ebenfalls kalt, und ohne ein weiteres Wort standen wir auf und gingen zurück zum Tor und dann den Hügel hinauf in das Dorf, wo wir ein Cafe fanden. Sie sagte, sie wolle eine heiße Schokolade und einen Zuckerkrapfen, und ich bestellte dasselbe. Was sie mir zuletzt gesagt hatte, erinnerte mich an dieses schreckliche Café, so ganz anders als dieses, in dem Adrian mir vor so vielen Jahren gesagt hatte, daß er homosexuell sei, und die Kellnerin gedacht hatte, wir wären ein Liebespaar. Wie sehr ich mir jetzt wünschte, ich wäre ihm ein besserer Vater gewesen, damals und immer, denn ein viel besserer Vater war genau das, was er jetzt brauchte. Ich wünschte mir, ich könnte das alles auch laut aussprechen, aber hier in diesem gemütlichen, vornehmen Café, wo die Kellnerin ein kurzes schwarzes Kleid und eine Rüschenschürze trug, gab es keinen Ort, an den ich hätte fliehen können, keine freie Stelle, wo ich meine Kraft hätte zusammennehmen können, das wenige, was noch da war, je dagewesen war.
    Jane hielt ihre Tasse in beiden Händen, um sich zu wärmen. Hin und wieder hob sie den Kopf und schaute mich mit einem dünnen, wehmütigen Lächeln an, und ihre dunklen Augen trösteten mich. Ich lächelte zurück. Eine Weile schwiegen wir, und dann sagte sie: »Hab ganz vergessen, dich zu fragen. Wie geht es Mrs. Bradecki?«
    »Gut, glaube ich.«
    »Solche Leute sind nur schwer zu erreichen ... Sogar jetzt ... Was sie durchgemacht und gesehen haben, womit sie leben müssen. Dieser Bericht aus ihrer Kindheit, den du mir gezeigt hast. Wir können uns nicht identifizieren mit etwas, das wir nicht erlebt haben, oder? Einige Leute glauben offenbar, sie können es.
Die Einfühler. Die Zeugen aus zweiter Hand. Mir wäre es lieber, sie würden nicht ... Und wir anderen, haben wir nicht immer das Gefühl, daß wir nicht fähig sind, so viel Mitgefühl aufzubringen, wie wir eigentlich sollten?«
    Ich wußte nicht, wie ich das verstehen sollte, aber ich nickte trotzdem.
    »Wenigstens ist sie jetzt so glücklich, wie es ihr möglich ist«, sagte ich. »Dank dir und Adrian.«
    »Kaum. Ich habe vor ungefähr einem Monat mal kurz vorbeigeschaut. Man konnte den Chopin schon auf der Straße hören. Eins der Concertos. Wunderschön. Ihren Garten liebt sie wirklich. War zur Abwechslung sogar mal richtig gesprächig. Hat sehr herzlich von dir gesprochen. Mr. Ripple ist ein sehr netter Mann.«
    Das freute mich natürlich, und ich murmelte, daß das sehr nett sei, und dachte dabei: Scheint ja heute eine Menge zu geben, was ich nett finde. Ich hätte vielleicht noch mehr über Mrs. Bradecki gesagt, aber Jane war offensichtlich etwas eingefallen, und sie hob die Hand ein paar Zentimeter vom Tisch.
    »Weißt du noch, als du aus Polen zurückkamst, diese schrecklichen Orte, die du besucht hast, du hast nie etwas darüber erzählt. Und dann wurdest du krank und hattest deine Operation ...«
    Ich erinnerte mich sehr deutlich, daß Adrian, als ich die Lager erwähnte, einfach nur sagte, daß ich dortgewesen sei, erwidert hatte: »Ich könnte es nicht ertragen, solche Orte zu besuchen.« Und ich hatte mit einem Achselzucken gesagt, ich wisse es ja auch nicht, ich sei einfach nur dortgewesen. Wir hatten gewartet, daß Jane etwas sagte, aber natürlich hatte sie recht, und es gab überhaupt nicht mehr zu sagen. Das Grauen war immer da. Es war absolut, endgültig. So endgültig wie ein strahlender Frühsommertag mit frisch ergrünten Bäumen und Leuten, die unter ihnen spazierengehen. Wie froh war ich damals, daß sie nie lesen würde, was ich über

Weitere Kostenlose Bücher