Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
»Immer nur ein paar auf einmal. Von den Schnappschüssen anderer Leute kann einem leicht unwohl werden, zu viele davon auf einmal sind wie Schokolade.« Es könnte gut den Rest meines Lebens dauern. Diejenigen, die sie mir bereits gezeigt hat, wurden vorwiegend in einem Garten und am Strand aufgenommen. Sie wies mich auf bestimmte Merkmale ihres Sohnes und ihrer Enkel hin. Die meisten Gliedmaßen des ersteren waren deutlich zu sehen. Sie waren dunkel und sehr muskulös. Er schien ziemlich erpicht darauf, sie herzuzeigen. Vielleicht gibt es in Australien eine Tuchknappheit, und alle kurzärmeligen Hemden und Shorts müssen so winzig sein. Er lächelte immer mehr, als nötig gewesen sein kann, und man konnte wohl davon ausgehen, daß er einen Großteil seiner Freizeit mit Sport und natürlich Schwimmen verbrachte. Australien tat ihm offensichtlich sehr gut. Es war schwer zu glauben, daß er Buchhalter war und nicht etwa ein, sagen wir mal, Lebensretter. Die Kinder — beide Jungs — waren auch sehr braun.
Mrs. Hirst sagte nichts über ihre Schwiegertochter, die blond war und hübsch sein könnte, wenn sie nicht immer so mißgelaunt dreinsehen würde, immer mit argwöhnischem Blick und gerunzelter Stirn. Das ist eine schlechte Kombination. Hübsche Frauen haben kein Recht, anders zu sein als die ganze Zeit fröhlich, bei dem Glück, das sie hatten, bei den größeren Wahlmöglichkeiten, die ihnen ihr Aussehen eröffnet, sowohl was Jobs wie auch Männer angeht (falls das ein Glück ist, bei der entsprechend höheren
Wahrscheinlichkeit, enttäuscht zu werden) — und daher, was das Leben im allgemeineren zu bieten hat. Bei schlechtgelaunten, gutaussehenden Männern ist das anders. Wenn sie fröhlich aussehen, denkt man eher: »Warum schaust du eigentlich so verdammt selbstzufrieden drein?« Wenn sie schlechtgelaunt aussehen, dann kann es daran liegen, daß eine gutaussehende Frau ihnen gesagt hat, wo sie ihr gutes Aussehen hinstecken können. Das kann ein ziemlich befriedigender Gedanke sein, wobei ihm ein wenig die Schärfe genommen wird von der Frage, was für ein ähnlich gutaussehender Mann demnächst sie enttäuschen wird. Mrs. Hirsts Sohn sah nicht selbstzufrieden aus, sondern nur zufrieden. Wie auch immer, ich mußte sie fragen, ob sie mit ihrer Schwiegertochter besser ausgekommen sei.
»Sie hat sich große Mühe gegeben, das muß ich ihr zugestehen. Soweit ich weiß, hat er ihr mehr als einmal den Kopf gewaschen. Sie mußte mich immer fragen, ob ich etwas dagegen hätte, dies oder jenes zu tun. Man könnte also sagen, es war ein bißchen Strategie dabei. Aber sie kann auch nett sein, das muß ich sagen.«
»Daß sie sich um Ihren Sohn kümmert, von ihm geliebt wird, das wäre doch ein Anfang.«
Sie dachte darüber nach und starrte dabei auf ein Foto von ihnen allen zusammen, auf dem sie ziemlich förmlich auf einer Terrasse vor einer Fensterfront saßen. Alle lächelten, bis auf Mrs. Hirst selbst.
»So habe ich das noch gar nicht gesehen. Aber um ehrlich zu sein, er liebt sie wirklich, und sie versucht, sich um ihn zu kümmern.«
»Wann fliegen Sie wieder hin? Scheint doch ein schönes Leben zu sein.«
Sie schüttelte langsam den Kopf. »Ich denke darüber nach.«
Eine Pause entstand, die gefüllt werden mußte. »Sie scheinen die Queen immer noch zu wollen«, sagte ich.
»Es ist nicht die Queen, die sie wollen. Es ist die Alternative, die sie nicht wollen.«
»Dann sind sie also gar nicht so anders als wir?«
Sie runzelte die Stirn. »Nicht so anders. Wie wir, nur irgendwie
vergrößert. Außer daß sie einen nie vergessen lassen, wie toll es ist, Australier zu sein.«
»In der Hinsicht also nicht so wie wir?«
»O nein, sie mögen und respektieren uns nicht sehr. Das ist ein Teil davon, wie toll es ist, Australier zu sein.«
»Verstehe. Aber es gefällt ihnen, daß wir sie mögen und respektieren, nicht? Das sollte es für sie doch noch toller machen, daß sie Australier sind — und eben nicht zum Beispiel Briten.«
Sie lachte. »O nein, Professor, wie wir würden sie auf keinen Fall sein wollen. Das würde ihnen überhaupt nicht gefallen.«
»Außer insofern, als wir sie mögen und respektieren, nehme ich mal an.«
Sie überlegte. »Wir würden sie noch mehr mögen und respektieren, wenn sie uns nicht daran erinnern, wie toll es ist, Australier zu sein. Das ist meine Meinung.«
»Aber dann würden sie doch noch stärker das Gefühl haben, wie toll es ist, Australier zu sein. Außer
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