Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
gebracht, dass er sie für eine Dirne hielt.
Und das bin ich ja auch, gestand sie sich ein. Esme hatte sich nie etwas vorgemacht hinsichtlich der Konsequenzen ihrer Handlungen.
»Aber stellen Sie sich vor«, fuhr sie nachdenklich fort, »wie meine Mutter sich über mich beklagt hat: Sehen Sie sich nur meine kleine Tochter an! Erst fünf Jahre ist sie alt, und schon wieder flirtet sie mit dem Gärtnersjungen .«
Sie warf Sebastian einen Seitenblick zu. Um seine Lippen spielte die Andeutung eines Lächelns. Es war wirklich eine Schande, dass er einen so schönen Mund haben musste.
»Dieses Thema ist äußerst interessant«, setzte sie hinzu. »Gina – dessen bin ich mir sicher – konnte einen Knicks machen, bevor sie laufen lernte.« Sie betraten einen kleinen Raum, der hinter dem Billardzimmer lag. »Ach, hier wollen Sie proben?«
Statt eine Antwort zu geben, schritt Sebastian auf die Wand zu und drehte die Lampen auf.
»Ginas Mann hat vermutlich ständig an einem Stück Holz herumgeschnitzt«, plapperte sie, um das Schweigen zwischen ihnen auszufüllen. »Die Taschen meines kleinen Bruders waren auch immer voller Holzstückchen, die für ihn Enten oder Boote darstellten.«
Sebastian schwieg hartnäckig, und Esme plauderte weiter. Sie war sich durchaus bewusst, dass sie sich in seiner Gegenwart wie eine Närrin aufführte. »Girton hat wahrscheinlich seine Kinderfrau ohne Schürze geschnitzt.«
»Ich wusste nicht, dass Sie einen Bruder haben.«
Er stand vor dem Kamin und sah so schön aus, dass ihr fast das Herz stehen blieb.
»Mein kleiner Benjamin«, sagte sie. »Er ist gestorben, als er fünf war.«
Es war sein Gesichtsausdruck, der sie dazu brachte, über Benjamin zu reden, was sie sonst nie tat. »Er hatte ein Fieber. Sein Tod hat meine Meinung darüber, selbst Mutter zu werden, sehr beeinflusst. Lange Zeit hatte ich Angst davor, ein Kind zu bekommen.«
Sebastian nahm neben ihr auf der Sitzbank Platz, blickte jedoch starr geradeaus. »Sie wünschen sich keine Kinder? Leben Sie deshalb von Ihrem Mann getrennt?«
»Das ist eine äußerst unschickliche Unterhaltung.« Esme versuchte sich zusammenzureißen. Diese Probe – überhaupt die ganze Aufführung – war eine schrecklich dumme Idee. Und wenn sie noch so viel Zeit mit Sebastian verbrachte, ihre lächerliche Vernarrtheit in ihn würde sie dadurch nicht ablegen.
»Soweit ich mich erinnern kann, sind Gespräche mit Ihnen ausnahmslos unschicklich«, stellte er fest.
Warum musste er nur eine so tiefe Stimme haben? Die Wahrheit ist, gestand sich Esme schonungslos ein, dass ich lieber mit dem Verlobten meiner besten Freundin schlafen würde als mit jedem anderen Mann, den ich im Laufe meines vergeudeten Lebens kennengelernt habe. Als ihr diese abstoßende Wahrheit über sich selber klar geworden war, runzelte sie unwillkürlich die Stirn.
Sebastian strich mit seinem Daumen über die dabei entstandenen Falten. »Teilen Sie das Bett mit Burdett?«, fragte er unvermittelt. Seine Stimme klang rau.
Esme sah ihm ernst in die Augen. »Nein, das tue ich nicht.« Daraufhin entspannte er sich offenkundig. »Aber nur weil Bernies Verstand sich als Enttäuschung herausgestellt hat«, fügte sie rasch hinzu. »Ich habe sehr wohl mit anderen Männern außer meinem Ehemann geschlafen. Möchten Sie ihre Namen wissen?«
»Durchaus nicht.« Er ließ die Hand sinken.
»Ich dachte, Sie wollten mit Ihrer Frage Interesse bekunden«, sagte sie vollkommen ruhig, doch in ihrem Innern war sie zum Zerreißen angespannt. Sie faltete die Hände im Schoß. »Sollen wir jetzt proben, Mylord, oder möchten Sie mir lieber Ihre Geliebten aufzählen?«
Er schwieg – lange. Schließlich musste sie den Blick heben und ihn anschauen. Seine Augen hatten die dunkelblaue Farbe von Veilchen. Ihr Blick war nüchtern und direkt.
»Ich habe noch nie mit einer Frau geschlafen, ob verheiratet oder nicht.« Seine Stimme war leise, aber gefasst.
»Sie haben nicht?«
»Nein.« Er schien sich nicht weiter darüber auslassen zu wollen.
»Warum um alles in der Welt denn nicht?«, hauchte sie.
»Weil ich noch nicht verheiratet bin.«
»Ich hätte nie gedacht, dass Sie … sind Sie Puritaner?«
»Nein.«
Esme wartete.
»Ich habe nie verstanden, wie ein Mann so töricht sein kann, sich eine Geliebte zu nehmen«, erklärte er. »Ich habe Freunde, die ihr Ehegelübde gebrochen und ihr Kapital für Opernsängerinnen verschwendet haben. Da ich meinerseits nie eine Frau kennengelernt habe, die
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