Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
sind.« Sie kicherte. »In dieser Hinsicht.«
Doch Cam lächelte nur zerstreut. Er dachte angestrengt nach. »Willst du mir etwa weismachen, dass du bei der Geburt von Henry Polderoys Söhnen dabei warst?«
»Beim ersten Kind nicht. Aber bei James und Camden schon.«
»Haben sich die Dinge denn so grundlegend verändert, seit ich England verlassen habe?«, rief er aus. »Ich hätte schwören können, dass es jungen Frauen damals nicht gestattet war, eine Wöchnerin zu besuchen.«
»Unverheirateten Frauen mag es wohl nicht erlaubt sein«, stimmte Gina zu.
»Aber du bist doch auch nicht verheiratet – jedenfalls nicht in dem einen wesentlichen Sinn!«
Gina schaute ihn nur an. »Ich bin die Herzogin«, sagte sie schlicht. »Für Bessie Mittins oder Mrs Polderoy spielt es keine Rolle, ob du am Hochzeitstag oder erst am Tag darauf aus meinem Schlafzimmer geflüchtet bist. Sie brauchen eine Herzogin, und ich stehe zur Verfügung.« Sie leerte ihr Brandyglas.
Wieder starrte Cam auf das Blatt in seiner Hand. »Warum zahlen wir denn auch für die Nachbargemeinde Armenunterstützung? Ist das nicht Staffords Grund und Boden?«
»Er ist ständig abwesend«, erklärte Gina. »Als Grundherr schert er sich keinen Deut um seine Leute. Sie müssten hungern, wenn wir nicht einspringen würden. Und zum Glück wirft das Gut genug ab.«
»Ich dachte, wir wären abwesende Grundherren«, sagte Cam perplex. »Ich habe immer geglaubt, du lebst in London.«
»Das habe ich ja auch.« Sie zuckte elegant die Schultern. »Aber in den letzten fünf Jahren habe ich stets auch ein knappes halbes Jahr in Girton gelebt. Es ist zu kompliziert, den Besitz gut zu verwalten, wenn man nicht vor Ort ist.«
»Ich will verdammt sein, wenn ich Bicksfiddle nicht rauswerfe!«, fauchte Cam. »Meine Anweisungen waren doch wohl eindeutig. Nachdem Vater bettlägerig geworden war, sollte er die Verwaltung allein besorgen.«
»Ich bin die Herzogin von Girton«, wiederholte Gina schlicht. »Ich bin es seit zwölf Jahren, und seit acht Jahren verwalte ich den Besitz. Seitdem dein Vater dazu nicht mehr fähig war.«
»Ich weiß, wie lange wir verheiratet sind!« Er schnappte sich ein zweites Papier von dem Schemel. »Was hat das mit dem Tweed zu bedeuten?«
»Ich versuche, die Heimspinnerei im Dorf wiederzubeleben. In den letzten Jahren hat es wiederholt Dürreperioden gegeben, und die Schafhaltung ist ohne gute Ernten nicht tragfähig.«
Cam wurde sich eines unangenehmen Schuldgefühls in der Magengrube bewusst. Er schleuderte die Papiere, die er in der Hand hielt, Richtung Schemel, doch sie landeten auf dem Boden.
»Du machst aus unserem Besitz ein Wohltätigkeitsunternehmen«, sagte er. »Vater hätte das verabscheut.«
»Wenn dein Vater nicht jeden Penny aus dem Land herausgepresst hätte, ohne zu reinvestieren, dann hätten wir auch nicht so viele verarmte Pachtbauern.«
Cams Schuldgefühl wurde nur noch stärker. Zum Glück war er Experte darin, unangenehme Gefühle zu ignorieren. Deshalb verdrängte er diese Gedanken aus seinem Kopf und ließ seinen Blick von Ginas tiefroten Lippen ihren langen, schlanken Hals entlangwandern.
Als er wieder aufschaute, verblüfft ob seiner heftigen Reaktion auf das, was schließlich nur ein Hals war, reichte sie ihm bereits ein weiteres Papier.
»Mein Erpresserbrief«, sagte sie, während sie sich vom Sessel erhob. »Darf ich Euer Gnaden noch einen kleinen Brandy einschenken?«
»Warum redest du mich plötzlich mit ›Euer Gnaden‹ an?«, fragte er gereizt. »Bis eben war ich noch Cam für dich.«
Gina schenkte sich selbst noch einen kleinen Schluck der goldenen Flüssigkeit ein, dann drehte sie sich zu ihm um und griff nach seinem Glas. Cam wartete mit erhobenen Brauen auf ihre Antwort.
»Ich ärgere mich über dich«, erklärte sie in beherrschtem Ton. »Und ich wage zu behaupten, dass diese Empfindung deinem Bekanntenkreis, der täglich mit dir zu tun hat, wohlbekannt ist, deshalb will ich ebenfalls kein Drama daraus machen.«
Cam hätte sich fast entschuldigt, beherrschte sich aber im letzten Moment. Er entschuldigte sich nie . Das einzig Nützliche, was ihm sein Vater beigebracht hatte, war, niemals Schuld anzuerkennen.
»Du liegst wahrscheinlich richtig damit, dass ich meine Freunde hin und wieder vor den Kopf stoße«, gestand er. »Ich fürchte, Marissa hat öfter Grund, sich zu beschweren.«
»Ich bin mir sicher, dass sie den hat«, sagte Gina mit einer winzigen Spur Mitgefühl.
Cam wartete,
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