Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
trinkst.» Ihre Stimme versagte ihr den Dienst. «Was hat er mit dir gemacht?», flüsterte sie.
Karin hatte oft den Eindruck gehabt, dass es Beatrice bei Harriet und Wilhelm nicht gut erging. Oft hatte ihr wegen dieses elternlosen Mädchens das Herz wehgetan, doch niemals war die Lage so schlimm gewesen wie jetzt. Beatrice sah einfach schrecklich aus, zerschlagen und gebrochen. Und ihr Haar … Karin schüttelte den Kopf und betrachtete die junge Frau. Der Blick, dem sie begegnete, war wie verdorrt – keine erlösenden Tränen, keine Gefühle, die sie teilen wollte, nur eine bodenlose Leere.
Karin war sich noch nie so hilflos vorgekommen. «Willst du lieber allein sein?», fragte sie unsicher.
Fast unmerkliches Schulterzucken von Beatrice.
Als es leise an der Tür klopfte, drehte Karin sich um. Das Dienstmädchen sah herein. «Brauchen Sie etwas?», erkundigte es sich.
«Können Sie wohl jemand nach Stockholm schicken?», fragte Karin. «Ich muss Kontakt mit meinem Mann aufnehmen.»
«Ich werde Samuel bitten, dass er herkommt», versprach Kerstin. «Er kann einen Brief überbringen.» Mit einem letzten besorgten Blick auf ihre Herrin zog sie die Tür leise wieder hinter sich ins Schloss.
Karin wandte sich wieder Beatrice zu.
«Mein liebes Kind. In ein paar Stunden werden wir mit meinem Mann reden. Hjalmar weiß sicher, was zu tun ist.» Dann verstummte sie. Warum sollte Beatrice ihnen jetzt vertrauen? Sie hatten sie ja schon einmal so schrecklich verraten.
«Ich wollte dich nicht erschrecken», sagte Beatrice mit brüchiger Stimme.
«Ich wünschte nur, ich könnte dir irgendwie helfen», antwortete Karin. Ungelenk tätschelte sie Beatrices Hand, doch die erstarrte bei der Berührung und zog die Hand zurück.
Bestürzt sah Karin sie an, doch Beatrice drehte den Kopf weg und blickte auf die Wand. «Du bist nett», sagte sie schwach. «Aber ich kann es im Moment nicht ertragen, dass mich jemand anfasst.»
«Ach, mein liebes Kind, das ist alles so schrecklich», flüsterte Karin. «Versuch, nicht dran zu denken.»
«Ich bin so müde, aber ich kann nicht schlafen», flüsterte Beatrice. «Sobald ich einschlafe, ist er wieder da.»
«Ich bleibe hier neben dir sitzen», versprach Karin. «Ich werde Mary und Sofia schreiben, aber ich werde die ganze Zeit hier sitzen bleiben. Vielleicht hilft dir das ja ein bisschen.»
Beatrice schloss die Augen. Karin betrachtete sie, bis die ruhigen Atemzüge ihr verrieten, dass sie schließlich doch eingeschlafen war.
*
Rosenschöld lag neben zwei erschöpften Huren und schnarchte lautstark. Edvard saß auf einem Sessel daneben und rauchte mit glasigem Blick. Die zwei Mädchen im Bett gehörten zu den routiniertesten Huren des Bordells, doch der Graf war so grob mit ihnen umgesprungen, dass Ulla Leander am Schluss dazwischengegangen war.
Ihre Orgie dauerte jetzt schon zwei Tage. Ständig kam wieder Nachschub an Mädchen, Alkohol und Opium. Rosenschöld hatte außerdem eine braune Flasche dabei, aus der er sich in regelmäßigen Abständen großzügig bediente. Entweder musste man jedes Mal aufs Neue eine Dosis des Potenzmittels nehmen, oder der gute Graf näherte sich langsam einer Überdosis, dachte Edvard und grinste breit.
Er war eigentlich zur Trauung nach Stockholm gekommen, hatte jedoch einsehen müssen, dass in dieser Stadt niemand mehr etwas von ihm wissen wollte, und so war er auch nicht zur Zeremonie erschienen. Die Geschichte mit Emelie von Wöhler war nicht vergessen. Ihre große Schwester Leonite war eilig verheiratet worden, und dann waren die Eltern wieder nach Deutschland gezogen. Doch man grenzte ihn noch stärker aus als vorher. Ich muss wirklich mal gründlich über meine Zukunft nachdenken, überlegte Edvard. Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarre und betrachtete nachdenklich den nackten schnarchenden Mann. Der Graf war höchst erzürnt gewesen über den Verlauf seiner Hochzeitsnacht, und Edvard ahnte, dass er sich vom Ehemann seiner Cousine Beatrice nicht mehr viel zu erhoffen hatte.
Er beugte sich vor und nahm das braune Fläschchen vom Nachttisch. Nachdenklich wog er es in der Hand. Dann goss er einen ordentlichen Schuss in den Becher mit Branntwein, den Ulla schon vorhin mit einer großzügigen Dosis Schlafmittel versetzt hatte. Sie behauptete, es gebe Grenzen für die Prügel, die ihre Mädchen aushalten konnten, und als der Graf sich geweigert hatte, die Dinge ruhiger angehen zu lassen, hatte sie ihm Laudanum verabreicht. Edvard zuckte
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