Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
wurde immer schwerer, die Gleichgültige zu spielen. Frustriert zog sie an ihrem Hutband, als ihre Zofe eintrat. «Ein Bad, Madame?»
«Ja danke, Chloë, sehr gern.»
Beatrice hörte, wie die Dienstmädchen eine Wanne hereintrugen und mit Wasser füllten, lauschte dem Plätschern und dem Schwatzen der Mädchen. Es war albern von ihr, aber heute beim Abendessen wollte sie schön sein. Sie sollte sich nicht weiter um Seth kümmern, er hatte sie so grausam verraten, und jetzt gehörte er obendrein einer anderen Frau, wiederholte sie sich immer wieder. Doch sie musste ihn nur ansehen, um sofort wieder daran zu denken, wie sich sein nackter Körper einmal gegen den ihren gepresst hatte.
Müde rieb sie sich die Augen. Vielleicht war es jetzt ja genauso zwischen Seth und Lily? Vielleicht spielte es für Männer ja keine so große Rolle, welche Frau sie gerade im Arm hielten? Aber für mich ist es ein gewaltiger Unterschied, dachte sie düster. Alexandre hatte sie schon mehrmals geküsst, und obwohl seine Küsse sehr angenehm waren, kamen sie nicht einmal in die Nähe der beinahe animalischen Leidenschaft, die sie mit Seth erlebt hatte.
Jenem Seth, der sich jetzt eine andere Frau ausgesucht hatte, um mit ihr sein Leben zu teilen, rief sie sich ins Gedächtnis. Es brannte in der Brust. Manchmal tat es so weh, an ihn und Lily zu denken, dass sie nicht wusste, wie sie den Schmerz nur noch einen einzigen Tag aushalten sollte. Sie holte tief Luft und ließ sich von Chloë die staubigen Kleider ausziehen. Nun hatte sie schon so viel überstanden, dann würde sie das hier ja wohl auch noch bewältigen, oder? Sie stieg aus den Unterkleidern und ließ sich von Chloë in ein Handtuch hüllen. Wenn diese Woche vorüber wäre, würde sie erst einmal eine Weile verreisen, beschloss sie. Sich vielleicht ein wenig umsehen und die Welt entdecken.
«Madame, Ihr Bad?»
«Danke.»
Das Mädchen half ihr, als sie in das duftende Wasser stieg. «Ich werde heute Abend das hellgelbe Kleid anziehen. Das mit den weiten Ärmeln», sagte sie und lehnte sich in dem dampfenden Wasser zurück.
«Oui, madame.»
«Ich habe von Daniels Unfall gehört», sagte Jacques. Bekümmert betrachtete er Seth, während sie von der Terrasse zurück ins Haus gingen. Der Norweger hatte sich umgezogen. Er war frisch rasiert, und sein feuchtes Haar verriet, dass er gebadet hatte. Doch er sah genauso ernst und erschöpft aus wie am Vortag.
«Dem Jungen geht es schon besser, aber Lily bleibt heute Abend bei ihm», erklärte Seth. «Ich habe versprochen, auch bald hochzugehen. Er langweilt sich, ich schätze, das ist ein gutes Zeichen.»
Jacques wand sich. «Vivienne war der Meinung, ich hätte dir sagen sollen, dass Beatrice hier ist», brachte er schließlich missmutig hervor.
Seth zuckte bloß mit den Schultern, doch Jacques sah ihn ernst an. «Alexandre hat ihr sehr gutgetan. Vivienne sagt, dass es Beatrice äußerst schlecht ging, als sie hier ankam.»
«Inwiefern?», wollte Seth wissen.
«Vivienne hat nicht so viel erzählt, aber ich habe Beatrice auch sehr liebgewonnen. Ich würde es nicht gern sehen, wenn sie noch einmal so schlecht behandelt werden würde.»
Seth hörte den warnenden Unterton in der Stimme seines Freundes und spürte, wie der Zorn in ihm aufstieg. Genau in diesem Augenblick schloss sich Alexandre ihnen an, und Seth musterte den jungen Mann gereizt, der in diesem Leben anscheinend alles haben durfte. Sogar Jacques – ein Mann, dem Seth unzählige Male das Leben gerettet hatte und der ihm eigentlich unverbrüchliche Treue schuldete – stand auf der Seite dieses Welpen.
«Monsieur?», begrüßte ihn Alexandre. «Ich wollte mich nur erkundigen, wie es Daniel geht? Und Lady Tremaine?» Er sah Seth an. «Komme ich gerade ungelegen?», fragte er dann irritiert.
Seth gab sich keine Mühe, seine Gereiztheit zu verbergen, denn plötzlich wusste er ohne jeden Zweifel, dass dieser lebensfrohe künstlerische Prinz Alexandre Beatrice geküsst hatte. Und Jacques hatte erzählt, Vivienne sei sicher, dass die beiden eine Affäre hätten. Die Eifersucht zerrte unbarmherzig an ihm.
«Sie ist eine großartige Frau», fuhr Alexandre mit einem Lächeln fort, und Seth hätte den großspurigen Prinzen am liebsten geschüttelt, bis er sein Genick brechen hörte. Wie konnte Alexandre es wagen, sich einfach zu ihm zu gesellen und über Beatrice zu reden?
«Ich bin sicher, Seth weiß deine freundlichen Worte über Lady Tremaine zu schätzen. Nicht wahr,
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