Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)
«Hammerstaal. Womit kann ich Ihnen dienen?»
«Es geht um Fräulein Beatrice.»
«Tatsächlich?», sagte Wilhelm mit grimmiger Miene. «Was hat sie denn jetzt schon wieder angestellt?»
Seth fuhr mit reserviertem Ton fort. «Ich habe vor, Beatrice um ihre Hand zu bitten», erklärte er. «Ich bin gekommen, um Ihre Zustimmung einzuholen.»
«Sie sollten Ihre Frauengeschichten wohl ein bisschen klüger verwalten», schnaubte Wilhelm. «Nach allem, was ich in letzter Zeit gehört habe, haben Sie dasselbe schon bei Fräulein Leonite von Wöhler getan.»
«Das ist doch absurd, an dieser Frau habe ich überhaupt kein Interesse. Ich will Fräulein Beatrice.»
«Ich weiß nicht, was Sie sich da einbilden, aber meine Nichte ist bereits anderweitig verlobt und wird bald heiraten.»
Der Gedanke, dass dieser ärgerliche Mensch sich querstellen könnte, war Seth vorher überhaupt nicht gekommen. Immerhin war er reich, und trotz seines einfachen Hintergrundes gehörte er zu den begehrtesten Junggesellen Schwedens. Seinen Besuch bei Beatrices Vormund hatte er als reine Formalität erachtet. «Das muss ein Missverständnis sein», sagte er steif. «Ich habe sie erst gestern Abend auf Gröndal gesprochen, und sie hat mit keiner Silbe eine Verlobung erwähnt.»
Wilhelm antwortete mit einem freudlosen Lachen. «Beatrice wird den Grafen Rosenschöld von Rosenholm heiraten. Das ist schon vor Weihnachten besprochen worden.» Er musterte seinen Besucher von oben bis unten. «Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass sie Sie einem schwedischen Adligen vorziehen würde? Wenn ich richtig informiert bin, kennen Sie sich mit Frauen weiß Gott gut genug aus, um das zu verstehen.» Der Onkel gab sich nun gar keine Mühe mehr, seine Verachtung zu verbergen. «Und Sie kennen ja wohl eine Menge Frauen.»
Zunächst spürte Seth gar nichts, denn er war überzeugt davon, dass es sich um einen geschmacklosen Scherz handeln musste. Wenn Beatrices Vormund sich einen derartigen Spaß auf seine Kosten machen wollte, war er nicht sonderlich amüsiert. Doch dann sah er Löwenströms schadenfrohen Blick und begriff: Hier war etwas ganz schrecklich schiefgegangen.
Der gewaltige Zorn, der in diesem Moment in Seth explodierte, war eines der stärksten Gefühle, die er je empfunden hatte. Ihm wurde ganz schwarz vor Augen. Er schwankte und spürte, wie die Wut von ihm Besitz ergriff, als ihm die volle Tragweite von Löwenströms Worten bewusst wurde.
Wilhelms Adamsapfel hüpfte erschrocken auf und ab, und Seth holte tief Luft. Er ballte die Fäuste und ließ ausatmend einen Teil des fauligen Gifts aus den Lungen. Durch die Nebel seiner weißglühenden Wut begriff er, was der Mann ihm gerade mitgeteilt hatte. Die unfassbaren Worte fielen an ihren Platz und füllten sich mit Sinn. Die ganze schreckliche Wahrheit dämmerte ihm.
Beatrice hatte es also die ganze Zeit gewusst. Schon vor Weihnachten. Auf dem königlichen Ball. In Gröndal.
Sie hatte ihn hinters Licht geführt. Er konnte es kaum glauben. Wenn das wirklich stimmte, dann hatte sie in Gröndal nur mit ihm gespielt. Sie war eine verlobte Frau, heuchelte aber gleichzeitig die Unschuld vom Lande und spielte mit seinen Gefühlen. Unglaublich, dass er so dumm gewesen war, sich anschmieren zu lassen. Er warf einen Blick auf den zitternden Wilhelm und beschloss, ihn nicht länger zu quälen. Dieser jämmerliche Mann war schließlich nur der Überbringer der Botschaft. Beatrice hatte sich einen Spaß mit ihm erlaubt. Mit einem letzten wütenden Blick auf ihren Onkel machte er auf dem Absatz kehrt, verließ das Zimmer und das Haus und trat auf die Drottninggatan hinaus.
Es war unfassbar. Und das Schlimmste an der Sache war, dass ihm so ein Fehler nicht zum ersten Mal passierte. Er hatte schon einmal um eine Frau geworben, von der er annahm, dass sie ihn genauso wollte wie er sie – und hatte die Bestätigung bekommen, dass Frauen es nur auf Titel und Oberflächlichkeiten abgesehen hatten. Doch dies hier war noch schlimmer. Er hatte Beatrice geglaubt, dass sie so echt und unverdorben war, wie sie sich darstellte, dabei stand ihr die Ehe mit einem Adligen bevor. Eine innere Stimme hatte Seth darauf aufmerksam gemacht, dass Rosenschöld auffallend oft in Beatrices Nähe auftauchte. Dabei war der Mann eigentlich dafür bekannt, dass er sich kaum in Gesellschaft Nichtadliger bewegte. Und dann ihre Kleider. Er hatte gewusst, dass da etwas nicht stimmte, doch er hätte nie recht sagen können, was es war.
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