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Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition)

Titel: Ein ungezähmtes Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simona Ahrnstedt
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Impuls, zu ihr zu gehen und sie zu begrüßen, ignorieren. Sie hatten sich nichts mehr zu sagen, und er musste nun weitergehen, im buchstäblichen wie im übertragenen Sinne. Beatrice Löwenström – demnächst Gräfin Rosenschöld, erinnerte er sich – war eine oberflächliche Frau, die jetzt hoffentlich selbst ein bisschen von dem Unglück ernten durfte, das sie gesät hatte. Eine Frau, die sehnsüchtig vor einem Antiquariat stand. In einem hässlichen Kleid. Ohne weiter nachzudenken, näherte er sich ihr.
    Erst reagierte sie gar nicht. Wahrscheinlich war sie so versunken in die Betrachtung der Bücher, doch dann erblickte sie sein Spiegelbild im Schaufenster. Sie erstarrte, ohne sich umzudrehen, und er – der eigentlich hätte weitergehen müssen – trat neben sie.
    Sie schwiegen.
    «Das da hatten wir zu Hause», sagte Beatrice schließlich und deutete mit einem Nicken auf ein Buch in der Auslage. Es sah alt und staubig aus, bestimmt lag es schon lange dort. «Papa hat es ins Schwedische übersetzt und ein schwedisches Vorwort zu dieser Ausgabe verfasst. Wir hatten es in unserer Bibliothek, aber dann wurde es mit den ganzen anderen Sachen verkauft. Seltsamerweise vermisse ich von allen Büchern dieses am meisten.»
    «Symposion» , las Seth auf dem Umschlag. «Wovon handelt es?»
    «Ich befürchte, es gilt als schrecklich schockierend. Eigentlich sollte ich es gar nicht lesen, aber ich habe es trotzdem getan.» Sie lächelte, und ganz kurz blitzte etwas von der alten Beatrice auf.
    Ihm wurde eng in der Brust.
    «Es ist eine griechische Erzählung, die vom wahren Wesen der Liebe handelt. Warum bestimmte Menschen sich zueinander hingezogen fühlen», fuhr sie fort, und Seth fragte sich, ob sie auch spürte, wie die Luft zwischen ihnen zu vibrieren begann. «Es ist in Dialogform geschrieben, weil Platon fand, dass man wahres Wissen nur durch Gespräche erlangen kann.»
    Seth sagte nichts. Er hatte Angst, den Zauber zu brechen, den ihre melodische Stimme und der uralte Mythos um sie spannen.
    «Diese Geschichte erzählt, wie zu Anbeginn aller Zeiten jeder Mensch ein Ganzes war und vier Arme und vier Beine hatte. Das machte die Menschen stark, doch eines Tages waren sie so dumm, die Götter herauszufordern. Und die bestraften uns für unseren Hochmut, indem sie uns in der Mitte durchtrennten und uns wie Scherben über die ganze Welt verteilten. So sind wir dazu verdammt, über die Erde zu wandern und verzweifelt nach unserer anderen Hälfte zu suchen», schloss sie leise.
    Seth blickte auf seine Hand, die ihrer so nah war, dass sich ihre Finger beinahe berührten. Vier Arme und vier Beine.
    «Beatrice!»
    Tante Harriet Löwenström hatte sie gerufen und kam jetzt auf sie zu. Im Nu hatte sich die aufgeladene Atmosphäre zwischen ihnen in Luft aufgelöst.
    «Entschuldige, die Erzählung hat mich so mitgerissen», sagte Beatrice leise. «Wie gesagt, das Ganze ist ein bisschen heidnisch.» Sie hielt ihm die Hand hin. «Adieu» , sagte sie.
    Sie musste gehen.
    Seth ergriff ihre behandschuhte Hand. Er wollte sie in seine Arme nehmen, einen Kokon um sie spinnen, einen Kokon der Fürsorge, des Luxus und des Überflusses, doch sie zog die Hand hastig zurück und drehte sich zu ihrer Tante um.
    «Entschuldige, Tante Harriet, ich war ganz in Gedanken versunken.»
    Seth begrüßte die ältere Dame, die seinen Gruß jedoch nicht erwiderte, sondern sich nur umdrehte und Beatrice mit sich zog.
    Er sah ihnen nach, während sie fortgingen. Fort von ihm. Offensichtlich würde es ihm nicht gelingen, jemals weiterzugehen.

    «Was wollte er?», fragte Harriet, sobald sie um die nächste Ecke gebogen waren.
    «Nichts. Wir haben über ein Buch gesprochen, das war alles. Er wollte nichts weiter», antwortete Beatrice müde. Die Begegnung hatte alle Kraft aus ihr gesaugt, sie fühlte sich leer und schutzlos. «Können wir nach Hause gehen? Bitte, ich kann nicht mehr laufen.»
    Beatrice schaffte den Heimweg, ohne in Tränen auszubrechen, doch hinterher konnte sie sich nicht mehr entsinnen, welchen Weg Harriet und sie genommen und worüber sie sich unterhalten hatten.
    Er war immer noch so elegant, und er war so zum Verzweifeln nett gewesen, überhaupt nicht wie auf Viviennes Soiree, und das war im Grunde das Allerschlimmste. Ein netter Seth war schwerer, viel, viel schwerer zu ertragen. Ein netter Seth weckte Hoffnungen, und das tat so weh.
    Sie konnte immer noch nicht verstehen, dass aus ihnen niemals ein Paar werden würde. Es war

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