Ein unmoralischer Handel
… Als seine Hand herabglitt, hob sie entschieden den Kopf, holte tief Luft und schaute überall hin, nur nicht zu ihm.
»Ich nehme an, Esher und Carstairs meinen es ernst?«
Alathea blickte wieder zu Mary hinüber. Neben ihr saß Lord Esher mit ruhiger, konstanter Aufmerksamkeit, während Mary freundlich auf ihn einging. Ein ähnliches Szenario bot sich am anderen Ende des Tisches, wo Mr Carstairs neben Alice Platz genommen hatte. »Wir denken schon. Ihre Eltern waren eindeutig erfreut, heute Abend geladen zu sein.« Mit einem Nicken wies Alathea auf Lady Esher und Mrs Carstairs, deren Ehemänner etwas weiter unten an der Tafel saßen.
Gabriel folgte ihrem Blick, dann wandte er seine Aufmerksamkeit der Schüssel zu, die sie ihm reichte. »Esher hat einen netten kleinen Besitz in Hampshire. Er verwaltet ihn gut und kümmert sich um seine Ländereien. Er ist ein sympathischer Junge mit Sinn für Humor, dabei aber empfindsam und beständig. Nach allem, was ich erfahren konnte, ist er finanziell unabhängig - ich bezweifle, dass er etwas daran auszusetzen haben wird, dass Mary keine Mitgift hat.«
»Sie hat eine Mitgift.«
»Ach ja?« Er zögerte, dann fragte er schließlich: »Wie viel?«
Alathea nannte ihm gelassen die Summe.
»Gerade genug, um zu gewährleisten, dass keiner sie schief anschauen wird. Du hast alle Löcher gestopft.«
Sie nickte leicht.
»Nun gut, wenn Esher sich schon keine Gedanken über Geld machen muss, dann muss es Carstairs noch viel weniger. Wenn Esher alte Finanzen bedeutet, gut etabliert, dann ist Carstairs beides, neues und altes Kapital. Sie haben sich in Eton kennen gelernt und sind seitdem gute Freunde, was Mary und Alice natürlich außerordentlich entgegenkommen dürfte.«
»Sie hängen sehr aneinander.«
»Carstairs’ Besitz liegt südlich von Bath - so nah an Morwellan Park, dass man sich leicht besuchen könnte. Sein Großvater mütterlicherseits interessiert sich für den Handel, eine Vorliebe, die Carstairs geerbt hat. Er steht in dem Ruf, ein vorsichtiges Interesse an der richtigen Art von Geschäften zu pflegen. Er ist in dieser Hinsicht sehr ehrgeizig und nicht gewillt, nur als stiller Partner zu fungieren.«
Die Anerkennung in seinen Worten war unüberhörbar; Alathea warf ihm einen Blick zu: »Vielleicht ein nützlicher Kontakt für dich?«
Gabriel erwiderte ihren Blick: »Vielleicht.«
»Wie hast du all das herausgekriegt - über Carstairs und Esher?«
»Ich habe mich diskret umgehört. Ich bin davon ausgegangen, dass dein Vater wohl kaum über die geeigneten Kontakte verfügt, um das für dich in Erfahrung zu bringen.«
»Die hat er auch nicht.« Alathea zögerte, dann neigte sie den Kopf: »Danke.«
Sie schaute weg, den Tisch hinunter, tat, als mustere sie die Gäste; in Wirklichkeit ließ sie jedoch ihre Dankbarkeit zuerst aufkeimen und dann einfach verfliegen. Der Schlaukopf neben ihr - der sie viel zu gut kannte - brauchte keine Ermunterung. Sie versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie viel einfacher das Leben an seiner Seite für sie wäre; er gab ihr die Sicherheit, die sie brauchte, die sie sich aus eigener Kraft aber nicht zu verschaffen vermochte. Seine Schulter zum Anlehnen zu haben war eine mehr als verlockende Aussicht.
Ihr umherschweifender Blick stieß auf Lucifer, der gerade an seinem Wein nippte und dabei den Blick unverwandt auf sie und Gabriel gerichtet hielt. Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, dachte er in aller Ruhe nach.
Alathea lächelte heiter und ließ ihren Blick weiterwandern, nur um noch mehr nachdenkliche Blicke zu ernten. Sie brauchte ein paar Minuten, um zu begreifen, weshalb Gabriel und sie in so vielen Köpfen Fragen aufwarfen. Es war die Art, wie sie miteinander sprachen. Sie waren so gut aufeinander eingespielt, dass sie sich in der Regel nicht einmal ansehen mussten, um zu wissen, was der andere meinte. Sie sprachen miteinander wie zwei Menschen, die einander gut kannten, wie zwei Menschen, die - in der Sprache der feinen Gesellschaft - ein »langjähriges Einvernehmen unterhielten«.
Sie sprachen miteinander wie langjährige Liebende.
Der letzte Gang wurde bereits abgeräumt, als sich Alathea wieder Gabriel zuwandte. Alle Gäste begaben sich in den Ballsaal. Er war bereits aufgestanden und bot ihr seinen Arm. Sie legte ihre Hand auf seinen Ärmel und gestattete ihm, ihr aufzuhelfen. Kaum hatte sie sich erhoben, griff er nach ihrer Hand, legte sie in seine Armbeuge und deckte besitzergreifend seine Hand
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