Ein unmoralischer Handel
hatte sich erinnert, dass die Cynsters ihre Nachbarn in Somerset waren. Zum Glück hatte sie daran gedacht, Wiggs darauf hinzuweisen, dass er in Anbetracht der notwendigen Geheimhaltung ihrer Ermittlungen ausschließlich über sie Kontakt zu Mr Cynster aufnehmen solle.
Der rundliche Geschäftsmann war wesentlich fröhlicher gegangen, als er gekommen war. Sie hatte ihn gebeten herauszufinden, was sie tun mussten, um den Chancery Court anrufen zu können. Schließlich wollte sie den Schuldschein für ungültig erklären lassen, sobald sie sichere Beweise für den Betrug in der Hand hielt. Sie hoffte, die Angelegenheit ließe sich in Form einer direkten Petition an die Richterschaft erledigen, ohne dass der Familienname in einer öffentlichen Verhandlung genannt werden musste und auch ohne zusätzliche Kosten für einen Anwalt.
Was ihre Nachforschungen betraf, so entwickelte sich alles bestens: Sie wünschte nur, sie könnte, was die Entwicklung zwischen ihr und Gabriel betraf, genauso zufrieden sein.
In den letzten beiden Tagen hatte sie alles getan, um ihm nicht zu begegnen. Doch ihn nicht zu sehen änderte nichts daran, dass sie sich schuldig fühlte, weil er sich ihretwegen blamiert hatte. Zweifellos ein irrationales Gefühl, doch es war da.
Sie musste zugeben, dass er ihr stets zur Seite gesprungen war, wann immer sie ihn gebraucht hatte; Unfälle wie der in der Bond Street, die Menge um den Straßenverkäufer - das war nicht unüblich zwischen ihr und ihm. Ungeachtet ihrer Schwierigkeiten miteinander, trotz allem, hatte er ihr stets geholfen, sobald er erfahren hatte, dass sie Hilfe benötigte. Ja, er half ihr auch jetzt, selbst wenn er dieses Mal nicht wusste, dass sie es war, die er unterstützte.
Er hatte etwas Besseres verdient, als von ihr getäuscht zu werden. Aber was sollte sie tun?
Sie seufzte und zwang sich, darüber nachzudenken, wie sie mit den jüngsten Entwicklungen bei ihrer Scharade umgehen sollte. Zunächst würde sie sich bemühen, ihre alte Beziehung wieder aufleben zu lassen und sich ihm gegenüber ganz normal zu verhalten, damit er seine Beschämung vergaß. Als Alathea hatte sie, abgesehen von dem Moment in der Bond Street, in den letzten zehn Jahren kaum seinen Ärmel berührt - also konnte sie doch wohl erwarten, die nächsten Wochen zu überstehen, ohne mehr als das zu tun?
Zweitens würde sie sich, egal was passierte und ungeachtet des ganzen Durcheinanders, nicht noch einmal erlauben - sie durfte es sich nicht noch einmal erlauben -, eine derartige Schwäche zu zeigen wie in der Bruton Street. Wenn er dicht an sie herankam, würde sie das mit stoischem Schweigen ertragen. Das war sie ihm schuldig.
Dass sie ihn mittlerweile in Gedanken bei seinem bevorzugten Namen nannte, entlockte ihr ein Stirnrunzeln. Dann zuckte sie die Schultern. Vielleicht war es ja besser, an ihn als Gabriel zu denken - Gabriel war schließlich der Mann, mit dem sie es jetzt zu tun hatte. Vielleicht würden die sicher noch bevorstehenden Schwierigkeiten dann nicht mehr ganz so überraschend über sie hereinbrechen, wenn sie das im Kopf behielt.
Sie schaute auf das sich verändernde Grün vor ihrem Fenster, legte ihre guten Vorsätze fürs Erste beiseite und wandte sich dem nächsten Problem zu: Sie musste herausfinden, was er vorhatte. Denn dass er etwas vorhatte, daran bestand für sie kein Zweifel. Er hatte ihr gesagt, sie solle Crowley ihm überlassen; es war sehr verführerisch, das einfach zu tun. Doch leider war es viel zu riskant, da er ja nicht wusste, für wen der Mann wirklich arbeitete. Außerdem musste sie seine Möglichkeiten, Belohnungen einzufordern, in Grenzen halten.
Das stellte eine weitere Schwierigkeit dar. Während sie sich verzweifelt danach sehnte, ein weiteres Treffen zu arrangieren, um ihn zu fragen, was er herausbekommen habe, was er tue, was er vorhabe, war es nicht einfach, die vorhersehbaren Entgleisungen zu rechtfertigen. Es war absolut wahrscheinlich, dass er auf etwas Neues gestoßen war, auf eine wichtige Tatsache vielleicht - doch welche Belohnung würde er fordern, wenn das der Fall war?
Sie verfügte nicht über genug Erfahrung, um diese Frage beantworten zu können. Und sie war sich auch nicht sicher, ob sie sich selbst trauen konnte - nicht, wenn sie in seinen Armen lag.
Das war der Teil der Geschichte, den sie am wenigsten verstand. Wenn sie mit ihm zusammen war, schien sie als Gräfin eine Haltung ihm gegenüber einzunehmen, an die Alathea Morwellan niemals auch
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