Ein unmoralisches Angebot
sich
später kümmern, denn sein vordringlichstes Problem hieß
Amy Kingston.
Amy
konnte es nicht fassen. Ihre Flucht aus dem Palast schien unbemerkt
geblieben zu sein, denn sie wurde nicht verfolgt. Ihr Herz klopfte
wie verrückt, und ihre Handflächen waren feucht, denn noch
nie in ihrem Leben hatte sie solche Angst ausgestanden.
Doch
alles war gut gegangen, und jetzt musste sie nur noch ein Taxi
finden. Aber wie und wo?
Erst
jetzt merkte sie, wie drückend heiß und staubig es
außerhalb der Palastmauern war. Obwohl bereits Abend, brannte
die Sonne immer noch unbarmherzig vom Himmel, und Amy hätte
sonst etwas für einen Hut gegeben. Sie drückte ihre Tasche
fest an sich und versuchte, möglichst schnell auf ihren unbequem
hohen Absätzen vorwärts zu kommen.
Ihren
Blazer konnte sie nicht ausziehen, obwohl sie vor Hitze fast umkam.
Das Kleid reichte ihr zwar bis zu den Knöcheln, war jedoch
ärmellos, und so freizügig konnte sie sich in einem
strengen Land wie Kazban unmöglich sehen lassen. Bis sie im
Flugzeug saß, musste sie es wohl oder übel in ihrer Jacke
aushalten.
Sie
ging durch den Souk und überlegte, welche Richtung sie
einschlagen sollte. Für einen Moment lenkte das bunte Treiben
sie von ihren Sorgen ab. In den engen Gassen duftete es herrlich nach
Gewürzen und Essen, das offen zubereitet wurde, und die bunten
Stoffe und traditionellen Gewänder, die überall angeboten
wurden, erregten ihr Staunen.
Doch
nirgends war ein Taxistand zu entdecken. Die Dunkelheit brach
geradezu unheimlich schnell herein, und Amy verlor allmählich
die Orientierung. Nur schwer fand sie ihren Weg zurück auf die
Straße, die mittlerweile menschenleer war. Nach der lauten
Geschäftigkeit des Souks empfand Amy die Stille als beklemmend,
doch als plötzlich drei in lange Gewänder gekleidete Männer
auf sie zukamen, geriet sie regelrecht in Panik.
Einer
von ihnen redete sie in einer ihr unverständlichen Sprache an.
Als sie nicht antwortete, kamen alle drei näher und bauten sich
drohend vor ihr auf. Amy fasste ihre Tasche fester und war froh, dass
sich keine wichtigen Sachen darin befanden.
Der
Größte von den Dreien sprach erneut und grinste dabei
frech. Amy ließ sich ihre Angst nicht anmerken, hielt sich
gerade und versuchte, an den Männern vorbeizugehen – doch
sie ließen sie nicht durch. Sie schwatzten und lachten, und
einer von ihnen streckte die Hand aus, griff nach ihren Locken und
begutachtete sie, als wollte er prüfen, ob sie auch echt seien.
"Lassen
Sie mich in Ruhe!" Mit dem Mut der Verzweiflung stieß Amy
ihn von sich und versuchte zurückzuweichen. Doch auch dieser
Fluchtweg war ihr versperrt, denn die beiden anderen Männer
hatten sich während des Gerangels hinter sie gestellt.
Amy
wusste nicht, wie sie sich der drei erwehren sollte.
3.
Kapitel
Amy
befand sich in höchster Gefahr. Hektisch blickte sie sich um, ob
sie nicht doch noch eine Fluchtmöglichkeit fand.
Die
Männer nutzten ihre Unschlüssigkeit, einer entwand ihr die
Tasche, ein anderer riss ihr den Blazer vom Körper. Hilflos
stand sie in ihrem dünnen Kleid und den hochhackigen Sandaletten
auf der Straße. Im ersten Moment war sie wie gelähmt, doch
schnell regten sich ihre Lebensgeister wieder. Sie war Gast in diesem
fremden Land und durfte eine höfliche Behandlung erwarten!
"Ich
bin Engländerin", sagte sie laut und deutlich. "Bitte
geben Sie mir mein Eigentum zurück!"
Als
die Männer nur unverschämt grinsten, packte sie die Wut.
Ohne lange zu überlegen, trat sie den Angreifer, der ihr die
Tasche entrissen hatte, mit aller Kraft an seiner empfindlichsten
Stelle. Er schrie auf und bog sich vor Schmerz. Absätze wie
kleine Dolche haben also durchaus einen praktischen Nutzen, dachte
Amy, griff beherzt nach ihrer Tasche und rannte, so schnell sie
konnte, davon.
Doch
ihr Triumph war nur von kurzer Dauer. Nach einer Schrecksekunde
reagierten die beiden Begleiter ihres Opfers, folgten ihr und hielten
sie am Kleid fest. Amy hörte noch den Stoff reißen, dann
lag sie auch schon am Boden und fühlte einen brennenden Schmerz
am Knöchel.
Sie
biss die Zähne zusammen und richtete sich auf, um sich notfalls
weiter zu verteidigen. Zu ihrem Schrecken musste sie jedoch erkennen,
wie sich ein vierter Angreifer näherte. Er war größer
und wirkte noch kräftiger als ihre bisherigen Peiniger. Genaues
konnte sie nicht erkennen, denn bis auf die Augenpartie war seine
ganze Gestalt unter dem lang wallenden, traditionellen
Weitere Kostenlose Bücher