Ein unmoralisches Angebot
unschicklich,
Gefühle öffentlich zur Schau zu stellen."
Amy
überlegte, wen von beiden die Entgleisung wohl am tiefsten
getroffen hatte. Ihn, weil er die Beherrschung verloren hatte, oder
sie, weil sie hatte entdecken müssen, welch wilder Gefühle
sie fähig war. Bisher war sie der Meinung gewesen, dass nichts
so überbewertet wurde wie Sex. Die Küsse, die sie als
Heranwachsende mit gleichaltrigen Jungen ausgetauscht hatte, hatte
sie als langweilig empfunden und sich daher nie für eine
leidenschaftliche Frau gehalten.
Sie
hatte sich falsch eingeschätzt, das war schlimm genug. Doch dass
gerade ein Mann, den sie verachtete, diese Selbsterkenntnis bewirkt
hatte, war unerträglich.
"Wir
sollten gehen, bevor die Situation noch weiter eskaliert",
erklärte er grimmig.
Welche
Situation? Amy betrachtete sein schönes, stolzes Gesicht, als
könnte sie dort die Antwort finden. Sprach er von der Bedrohung,
die von den Banditen ausging, oder von der Gefahr, die sie für
ihn verkörperte?
Doch
die konnte so groß eigentlich nicht sein. Der Prinz war
bestimmt schon seit frühester Jugend von den schönsten
Frauen des Landes verwöhnt worden. Ein heimlicher Kuss in einer
dunklen Mauernische würde sein Blut wohl kaum sonderlich in
Wallung bringen.
"Wo
sind die Palastwachen?" fragte sie ängstlich.
"Wenn
ich sie brauche, werden sie zur Stelle sein. Aber momentan benötige
ich sie nicht, da ich imstande bin, mich selbst zu verteidigen –
was man von Ihnen leider nicht behaupten kann."
"Das
stimmt nicht! Ich wäre durchaus in der Lage gewesen, mir allein
zu helfen."
"Und
wie? Mit den Absätzen Ihrer Schuhe? Oder hatten Sie Geheimwaffen
in Ihrer Tasche versteckt? Einen explodierenden Lippenstift zum
Beispiel oder vielleicht einen vergifteten Kamm?"
"Machen
Sie sich bitte nicht lustig über mich!" Zornig blickte sie
ihn an.
"Das
liegt mir fern. Ich versuche lediglich, Sie zur Einsicht zu bringen.
Allein durch die Straßen Kazbans zu laufen ist lebensgefährlich
für Sie. Die Männer waren zu allem entschlossen, glauben
Sie mir. Aber jetzt schnell weg von hier."
Er
pfiff leise auf zwei Fingern, und im nächsten Moment kam ein
Pferd im gestreckten Galopp auf sie zu. Der Rappe, der keinen Sattel,
sondern nur eine Decke trug, kam genau vor Zakour zum Stehen, warf
den Kopf zurück und stampfte ungeduldig mit den Hufen.
Amy
hielt den Atem an, so schön war das Tier. Sie war schon immer
eine passionierte Reiterin gewesen und besaß selbst zwei
Pferde. Daher konnte sie den Wert dieses herrlichen Vollbluthengstes
leicht ermessen.
Zakour
griff nach den Zügeln. "Beeilen Sie sich!" befahl er.
Als
sie erkannte, dass er sie zum Palast bringen wollte, schüttelte
sie nachdrücklich den Kopf und wich zurück in die
Türnische. "Nein, ich komme nicht mit! Ich …"
Noch
ehe sie den Satz beendete, hatte er sie hochgehoben, aufs Pferd
gesetzt und war hinter ihr aufgesessen. Ein kurzes Kommando, und der
Hengst galoppierte aus dem Stand los.
Zu
jeder anderen Zeit wäre Amy von dem Pferd und dem Können
seines Reiters begeistert gewesen, im Moment jedoch konnte sie nur an
ihre missglückte Flucht denken. Eine zweite derart günstige
Chance würde sich ihr wohl kaum bieten.
Amy
griff in die Mähne des Hengstes, und Zakour hielt Amys Taille
umfasst. Der Hengst war schnell wie der Wind, und Amy konnte nur
hoffen, dass niemand sich ihm in den Weg stellte.
Statt
den Haupteingang zu benutzen, ritt der Prinz um den Palast herum und
preschte durch eine schmale Öffnung in der Schlossmauer. Die
Wachen wichen zurück und ließen ihn passieren, was Amy
wunderte, denn der Prinz war nicht anders gekleidet als jeder andere
Mann in Kazban.
Auch
im Innenhof zügelte Zakour sein Pferd nicht, sondern brachte es
aus vollem Lauf zum Stehen. Sofort eilte eine Dienerschar herbei,
doch Zakour saß ab und hob Amy selbst herunter.
Kaum
hatte sie mit den Füßen den Boden berührt, schrie sie
leise auf, so sehr schmerzte ihr Knöchel. Sie sank in sich
zusammen, doch noch bevor sie fallen konnte, hatte Zakour sie
aufgefangen und erteilte einige Befehle, die sie nicht verstand.
Einige Diener eilten daraufhin auf den Palast zu. Die anderen
betrachteten sie mit solch unverhohlener Neugier, dass Amy errötete
und Zakour die Stirn runzelte.
"Sie
brauchen mich nicht zu tragen", sagte sie ihm leise.
"Möchten
Sie wie ein Häufchen Elend mitten im Hof liegen bleiben?"
fragte er spöttisch. "Damit würden Sie meinen Männern
noch mehr Gesprächsstoff liefern, als
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