Ein unmoralisches Angebot
sollte sie Hilfe benötigen, dann richten Sie ihr bitte aus, dass ich ihr beistehen werde. Nur zu diesem Zweck bin ich hier!“
Der alte Mann berührte die Krempe seiner Kappe. „Das werde ich bestimmt tun, Miss Sarah, falls ich Miss Meredith sehe.“
Sarah nickte. „Vielen Dank. Einen angenehmen Tag, Tom!“
Der alte Mann sah ihr nach. Sobald sie verschwunden war, hackte er weiter.
Zögernd blieb sie auf der Straße stehen, fand jedoch, ihr bliebe nichts anderes übrig, als nach Blanchland zurückzugehen. Das war ein entmutigender Gedanke, da sie darauf gehofft hatte, einen Hinweis auf Olivias Aufenthalt zu bekommen. Nun sah es jedoch ganz danach aus, dass sie nichts weiter erfahren würde. Und dennoch hatte sie eine ganze Menge in Erfahrung gebracht. Langsam ging sie grübelnd die Dorfstraße hinunter. Sie wusste jetzt, dass Olivia hübsch und sehr begehrt war. Konnte das die Ursache der Probleme sein, die Olivia hatte? Falls einer der im Herrenhaus wohnenden Herren ein Faible für sie entwickelt hatte, konnte das für die Tochter eines Provinzarztes Ärger bedeuten, besonders für eine junge Frau, die keine männlichen Verwandten zu ihrem Schutz hatte. Sarah furchte die Stirn. Mr. Brookes hatte gesagt, im Herrenhaus seien ein junger Gentleman und ein Herr, die sich beide nach Olivia erkundigt hatten. Zweifellos handelte es sich bei ihnen um Gäste des Vetters, die sie später kennenlernen würde.
Und sie hatte auch erfahren, dass Lord Renshaw Fragen gestellt und für Mr. Brookes’ Schweigen gezahlt hatte. Gleichsam als Ergebnis ihrer Gedanken sah sie den vor der Schmiede angebundenen Hengst und gleich darauf den Viscount auf die Straße kommen. Er verabschiedete sich vom Schmied, und Geld wechselte den Besitzer. Der Schmied ließ es hastig in der Schürzentasche verschwinden. Sarah war unschlüssig, ob sie Lord Renshaw aus dem Weg gehen solle oder nicht. Es war jedoch schon zu spät. Er hatte sie gesehen.
„Miss Sheridan? Machen Sie einen Nachmittagsspaziergang?“
„Lord Renshaw.“ Ihr fiel auf, dass ihr Ton kalt geklungen hatte. Sie konnte nichts dafür, denn das lag an dem gegen den Viscount gehegten Argwohn. Belustigt zog er eine Augenbraue hoch.
„Du meine Güte, Miss Sheridan! Habe ich etwas getan, das Sie gekränkt hat? Schon wieder?“ Er legte sich die Zügel über den Arm und schloss sich ihr an. „Hatten Sie bei Ihren Nachforschungen Erfolg?“
„Nein“, antwortete sie und sah ihm in die Augen. „Und Sie?“
„Ah!“ Ein verlegenes Lächeln erschien um seinen Mund. „Mir scheint, Sie hatten doch einigen Erfolg, Miss Sheridan! Sie wissen beispielsweise, dass ich Nachforschungen angestellt habe!“
„Allerdings! Mit Geld erreicht man viel, Mylord“, erwiderte sie freundlich. „Alte gute Beziehungen sind jedoch mehr wert!“
„So sieht es aus!“ Guy wirkte noch immer verlegen. Er schaute Sarah an, und der Ausdruck in seinen Augen ließ ihr das Herz stocken. „Ich kann verstehen, warum Sie Loyalität erwarten, Miss Sheridan. Zu mir haben Sie also kein Vertrauen?“
„Nein“, antwortete sie überrascht und merkte verwirrt, dass ihre Antwort der Wahrheit entsprach.
Er lachte. „Sie können Vertrauen zu mir haben. Ich schwöre, dass ich nie etwas tun werde, das Ihnen zum Nachteil gereichen könnte, Miss Sarah!“
„Darum geht es nicht, Mylord“, entgegnete sie und versuchte, nicht daran zu denken, dass er sie beim Vornamen genannt hatte, noch dazu in einem so zärtlichen Ton, dass es ihr schwerfiel, sich zu konzentrieren. „Sie haben meine Frage nicht beantwortet! Warum haben Sie sich nach Miss Meredith erkundigt?“
Er zuckte mit den Schultern. Sein Blick war klar und sorglos. „Ich hatte vor, Ihnen Mühe zu ersparen. Falls ich Miss Meredith zuerst finde, wären Sie nicht mehr genötigt, Nachforschungen anzustellen. Dann könnten wir alle nach Haus fahren. Das ist alles!“
Sarah schwieg. Sie glaubte Lord Renshaw nicht und fühlte sich durch seine Doppelzüngigkeit verletzt. Sie hatte ihm die Möglichkeit gegeben, sich ihr anzuvertrauen. Er hingegen hatte das ganz bewusst nicht getan.
„Ich wüsste gern, woran Sie jetzt denken, Miss Sheridan“, sagte er leichthin.
„Oh!“Verwirrt wandte sie den Blick ab. „Ich habe lediglich über die Veränderungen nachgedacht, die seit dem Tod meines Vaters mit dem Dorf vorgegangen sind.“
Guy zweifelte ihre Behauptung nicht an, wenngleich sie das unbehagliche Gefühl hatte, er glaube ihr nicht. Sie wusste, jedem von ihnen
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