Ein unmoralisches Angebot
Seiner Lordschaft gut genug, um nicht überrascht zu sein, doch sie bekam ein drückendes Gefühl im Magen, das nichts mit dem fetten Lammbraten zu tun hatte. Es war unbedeutend, dass sie sich einredete, sie müsse es ignorieren, denn offenbar hatte Lord Renshaw immer noch durch sein Verhalten die Macht, sie aus der Fassung zu bringen.
Plötzlich legte Lady Ann Walter ihm die weiße Hand auf die Schulter, als wolle sie einer Äußerung besonderes Gewicht verleihen, hob sie dann und strich ihm in einer derart intimen Weise, die Sarah den Atem stocken machte, über das zerzauste helle Haar.
„Ich glaube, Lady Walter und Renshaw kennen sich bereits“, raunte Lord Allardyce ihr boshaft ins Ohr. „Ich befürchte, Sie haben Ihren Verehrer verloren, Miss Sheridan.“
Der Viscount lachte jetzt über etwas, das Lady Walter ihm zugeflüstert hatte. Sie starrte ihn verlangend an. Sarah war jäh so eifersüchtig, dass sie den Blick abwenden musste.
„Sie gehen von falschen Tatsachen aus, Mylord“, erwiderte sie kühl. „Lord Renshaw begleitet mich auf Wunsch seines Vaters, nicht mehr und nicht weniger. Ich habe keinen Anspruch auf ihn.“
Lord Allardyce sah nicht überzeugt aus. „Ach, wirklich nicht? Es wäre interessant zu hören, ob er ebenso denkt, Madam. Vielleicht sollten Sie das alte Sprichwort anwenden, Madam: Wie du mir, so ich dir!“
Sarah fühlte sich einen Moment lang dazu versucht, wusste jedoch, dass sie dann Lord Allardyce nur in die Hände spielte. Außerdem hatte sie soeben behauptet, Lord Renshaws Benehmen sei ihr gleichgültig, und konnte jetzt nicht gut zu erkennen geben, dass das Gegenteil der Fall war. Aber der Gedanke, ihn eifersüchtig zu machen, war sehr verführerisch und entlockte ihr ein Lächeln. In diesem Augenblick schaute der Viscount zu ihr herüber. Die Belustigung schwand aus seinen dunklen Augen, als er Miss Sheridan lächeln und Allardyce sich nah zu ihr neigen und ihr die Hand auf den Arm legen sah. Sie kam sich durch die Intensität von Lord Renshaws Blick auf dem Stuhl wie angenagelt vor und überlegte, ob sie sich die Verärgerung, die sie in seinen Augen gesehen hatte, nur eingebildet habe.
Allardyce lachte leise. „So ist es recht, Miss Sheridan! Mehr ist nicht nötig!“
„Dieses Thema passt mir nicht, Sir!“, erwiderte sie gereizt. „Bitte, lassen Sie es uns wechseln!“
„Also gut“, murmelte er. „Lassen Sie uns, wenn Sie das wollen, über das Wetter reden, Miss Sheridan!“
Beim Dessert bemerkte sie Amelias entsetzten Blick, als Lady Tilney den Zeigefinger in die Süßspeise tunkte und ihn dann mit lüsternem Ausdruck in den Augen Sir Greville zum Ablecken hinhielt. Es sah ganz danach aus, dass Mrs. Fisk die Absicht hatte, sich der Mousse noch kreativer zu bedienen, denn sie ermutigte Sir Ralph dazu, seinen Löffel in die Schüssel zu stecken, die sie auf ihrem prallen Busen balancierte. Mr. Fisk schnarchte vor dem Kamin. Sarah hatte das Gefühl, ihr werde noch heißer. Wohin sie den Blick auch lenkte, überall schienen Bilder der Liederlichkeit zu sein.
„Entschuldigen Sie uns, Sir Ralph.“ Amelias Stimme, die eisig geklungen hatte, drang über den allgemeinen Lärm. „Ich glaube, für die Damen ist es Zeit, sich zurückzuziehen.“
Wie eine Katze, die sich verbrannt hatte, sprang Sir Ralph auf und brachte dadurch die Schüssel auf Mrs. Fisks Busen dazu, in hohem Bogen zu Boden zu fallen. „Lady Fenton! Natürlich, Madam! Bitte, ziehen Sie sich zurück.“ Mutlos schaute er Lady Walter und Lady Tilney an. „Vielleicht hätten Sie die Güte, im Salon auf uns zu warten.“
Lady Tilney kicherte und ließ die Fingerspitzen über Sir Grevilles Wange gleiten. „Seien Sie nicht so albern, Ralphie! Wir möchten etwas Portwein haben.“
Lady Walter fütterte Lord Renshaw mit Weintrauben aus der bis zum Rand gefüllten Schale. Sarah sah sie sie ihm in den Mund stecken und fühlte sich elend.
„Wie gesagt“, fuhr Amelia betont fort, „die Damen werden sich zurückziehen.“
Hochmütig stand sie auf und hob die Augenbrauen, weil weder Lord Renshaw noch Sir Greville aufstanden. Lord Lebeter eilte zu ihr und zog ihren Stuhl zurück, derweil Lord Allardyce Sarah den Arm reichte und sie zur Tür begleitete. Ihr letzter Eindruck war, dass Sir Greville Lady Tilney auf dem Schoß sitzen hatte und der Viscount sich eine von Lady Walters blonden Locken um den Zeigefinger wickelte. Dann wurde ihr die Tür vor der Nase zugemacht, und gleich darauf hörte sie
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