Ein unmoralisches Sonderangebot - Gier, K: Unmoralisches Sonderangebot
weiß ich wohl«, sagte Evelyn schroff.
Ich beschloss, das Thema fallen zu lassen und mich auf die Führung zu konzentrieren. Ich liebte es, jemanden in der Gärtnerei herumzuführen. Noch war ja nichts so, wie es einmal werden sollte, aber ich war auch jetzt schon überaus stolz auf meine Pflanzen.
Der Vollständigkeit halber zeigte ich aber zunächst auf das Meer der in schrillen Farben leuchtenden Begonien, fleißigen Lieschen und großblumigen Petunien in Gewächshaus eins. »Diesen Teilen verdanken wir es, dass wir auch im April wieder schwarze Zahlen geschrieben haben. Vier Euro und siebzig Cent in der Gewinnzone.«
»Pro Blume?«, fragte Evelyn respektvoll.
»Pro Monat«, sagte ich. »Wenn es nach Stephan ging, würden wir alle Gewächshäuser damit voll stopfen. Er hat da irgendwas ausgerechnet, bei vierzehn Cent Gewinn pro Pflanze … – frag ihn, wenn es dich interessiert.«
»Vier Euro siebzig. Was für ein hartes Brot«, murmelte Evelyn und warf einen langen, verächtlichen Blick auf die Begonien.
Im nächsten Gewächshaus hielten wir uns deutlich länger auf. Hier waren meine Buchsstecklinge und diverse größere Exemplare, die ich zu Kugeln, Kegeln und Spiralen zog. Manche davon besaß ich schon seit mehr als zehn Jahren.
»Neun verschiedene Sorten«, sagte ich stolz. »Es gibt noch mehr, aber das hier sind die besten. Buchs ist mein absoluter Favorit. Ich habe auch Liguster und Kirschlorbeer zu Kugeln gezogen, aber nichts reicht an Buchs heran. Allein sein Duft …« Ich verstummte, ehe ich zu sehr ins Schwärmen geriet. Elisabeth sagte immer, dass meine Buchsbäume wahrscheinlich zu den zehn Dingen gehören würden, die ich mit auf eine einsame Insel nehmen würde. Oder in die geschlossene Psychiatrie.
Evelyn sah sich um. »Da sind ja ganz schöne Biester dabei. Die sind sicher ein Vermögen wert.«
»Ja«, seufzte ich. »Ein paar davon sind viele hundert Euro wert … Aber weißt du, wie viele Jahre es gedauert hat, sie so groß zu bekommen? Ich könnte mich einfach nicht von ihnen trennen.«
»Verrückt«, sagte Evelyn. »Du bist ja noch schlimmer als dieser Maler, der lieber Hunger litt, als eines seiner Werke zu verkaufen. Das einzig Gute daran ist wohl, dass die Biester hier mit jedem Blättchen an Wert zulegen, was?«
Ich hatte das Gefühl, Evelyn war wider Willen beeindruckt. Das erfüllte mich mit einer gewissen Genugtuung. Ja, sicher, ich sah aus wie ein Blumenkohl, und meine Fingernägel waren notorisch mit Erde verschmutzt, aber von Pflanzen verstand ich etwas. Auf diesem Gebiet konnte Evelyn mir nicht das Wasser reichen. »Willst du meine Stauden sehen?«
»Na klar«, sagte Evelyn, und obwohl ich mir nicht sicher war, ob ihr Interesse echt war, gewann sie damit einige Sympathiepunkte bei mir. Denn nichts erfreut mich mehr, als über meine Pflanzen reden zu können. Wie gesagt, diesbezüglich wies ich eine missionarische Ader auf: Je mehr Menschen die Freude des Gärtnerns entdeckten, desto besser. Geduldig wanderte Evelyn mit mir durch Gewächshaus drei und ließ sich jede Pflanze zeigen, an der mein Herz hing. Und das waren nicht wenige. »Die Stauden, die ich im letzten Jahr gezogen habe, haben im Freiland überwintert. Erst dann sind sie fit für den Verkauf«, erklärte ich. »Ich halte nichts davon, den Kunden verwöhnte Gewächshauspflänzchen anzudrehen.«
»Ich verstehe nicht, warum das Geschäft nicht brummt«, sagte Evelyn vor einer Gruppe blauen Scheinmohns. »Hier gibt es doch weit und breit keine Konkurrenz.«
»Bis auf Blumen Müller«, stimmte ich ihr zu. »Aber der hat überwiegend Schnittblumen, Zimmerpflanzen und einjährige Sommerblumen.« Unser Standort war eigentlich ideal. Die nächste richtige Gärtnerei (die, in der ich gelernt hatte) lag vierzig Kilometer weg, und Baumschulen gab es auch keine. Natürlich hatten viele Baumärkte in der Stadt eine Gartenabteilung, aber wer wollte schon jedes Mal bis in die Stadt fahren wegen ein paar Pflänzchen. »Nein, ich glaube, die größte Konkurrenz sind die Versandgärtnereien. Die Leute hier sind es mangels Alternativen gewohnt, ihre Pflanzen aus dem Katalog zu bestellen.«
»Das geht?«, fragte Evelyn, als hielte sie das für eine ausgesprochen vernünftige Idee. »Bekommst du da auch deine Pflanzen her? Zum Einkaufspreis?«
»Nein, natürlich nicht. Stephans ganzen Mist« – ichdeutete hinüber zu Gewächshaus eins – »bekommen wir aus einer Großgärtnerei in Holland geliefert. Sie ist sehr preiswert,
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