Ein unmoralisches Sonderangebot - Gier, K: Unmoralisches Sonderangebot
aber ich möchte nicht wissen, wie viel Chemie da versprüht wird.«
»Und
deine
Pflanzen?«
»Oh, ich bestelle Samen vom Züchter, viele direkt aus England. Und Rosen, Buchs und Clematis ziehe ich aus Stecklingen, die ich mir in anderer Leute Gärten besorge. Und verbotenerweise aus öffentlichen Parks, Landesgartenschauen und so weiter. Wenn ich irgendwo etwas Interessantes sehe, möchte ich es sofort nachzüchten. Früher bin ich dafür über jede Mauer geklettert. Glücklicherweise gibt es jetzt das Internet. Dort findet man einfach alles an Pflanzen und Samen, was man sich nur vorstellen kann. Auch verbotene Sachen wie Schlafmohn. Der ist wunderhübsch, aber leider darf man ihn nicht anpflanzen, weil man damit gegen das Betäubungsmittelgesetz verstößt.«
»Tatsächlich?«, fragte Evelyn gedehnt.
»Ja, stell dir vor. Dabei weiß doch kein Schwein, wie man aus dem Zeug Opium macht, oder?«
Evelyn sah hellwach aus. »Das ist ja alles
viel
interessanter, als ich gedacht hätte.«
»Wirklich?«, fragte ich misstrauisch.
»Ja, doch. Ich habe richtige Lust auf ein eigenes Beet bekommen. Meinst du, ich kann eins haben?«
Sie sah aus wie ein Kind, das an Weihnachten seinen ersten eigenen Chemiekasten auspackt und sofort mit dem Bunsenbrenner arbeiten will. Ich freute mich. Gärtnern ist ein wunderschönes Hobby, ich konnte es jedem nur empfehlen. Irgendwo hatte ich mal ein chinesisches Sprichwort gelesen, nach dem der Mensch nur drei Dingebraucht, um glücklich alt zu werden. Die ersten beiden Dinge habe ich vergessen, aber das dritte war ein Garten.
»Sicher kannst du ein Beet haben«, sagte ich herzlich. »Hinten in Gewächshaus fünf ist noch jede Menge Platz. Und wenn du Samen brauchst, wende dich nur an mich. Ringelblumen, Cosmeen und Wicken sind einfach zu ziehen, und man sieht schnell den Erfolg. Oder Bohnen, wenn du auch etwas ernten willst.«
»Äh, nein danke«, sagte Evelyn. »Ich werde mir meine Wunschpflanzen selber aus dem Internet zusammensuchen. Das ist spannender.«
Ich lächelte sie an. »Ich bin froh, dass du eine Beschäftigung gefunden hast.« Ich war wirklich froh. Ich hatte nämlich Angst, dass sie sonst vor lauter Langeweile damit beginnen würde, Stephan zu verführen. Wenn sie es nicht schon getan hatte. »Sicher ist es ungewohnt für dich – so ganz ohne Arbeit.«
»Ja«, sagte Evelyn. »Ich habe aber nicht vor, meine Hände in den Schoß zu legen. Ich habe bis jetzt noch aus jeder Situation das Beste gemacht. Und hier tun sich ungeahnte Möglichkeiten für mich auf.«
Ich hoffte immer noch, dass sie vom Gärtnern sprach und nicht von Stephan. Als wir zum nächsten Gewächshaus liefen – Evelyn wollte freundlicherweise auch noch meine Rosen und die Kräuter sehen –, sahen wir Herrn Kabulke mit Schaufel und Schubkarre vor dem riesigen Komposthaufen. Herr Kabulke arbeitete offiziell als 350-Euro-Aushilfskraft bei uns, den »Rest« bekam er inoffiziell zugesteckt. Der Mann war jeden Cent wert, den er verdiente, ich hätte nicht gewusst, was wir ohne ihn anfangen sollten. Auch Stephan musste zugeben, dass Kabulke ein absoluter Glücksfall für uns war.
»Jedenfalls für die groben Arbeiten«, sagte er. »Im Verkauf wäre er eine Katastrophe. Allein wie der aussieht, mit seinem Schlapphütchen und dem komischen Gebiss! Und bis er das Wort Be-be-be-begonie ausgesprochen hätte, wäre schon wieder Mi-mi-mi-mittagspause.«
Ja, Herr Kabulke stotterte leider ein wenig und hatte ausgesprochen große, gelbe und falsche Zähne. Aber das störte doch nun wirklich keinen großen Geist. Auch sein Schlapphütchen fand ich irgendwie niedlich. Er trug es sommers wie winters, und ich vermutete, dass nur seine Frau wusste, wie es darunter aussah. Er war sechsundsechzig Jahre alt und in hervorragender körperlicher Verfassung. Zeit seines Lebens hatte er als Bu-bu-buchhalter gearbeitet, aber er verstand eine Menge von der Gartenarbeit. Nicht umsonst war er Besitzer einer Kleingartenparzelle und jahrelanger Kassenwart im Kleingärtnerverein.
Jetzt war er damit beschäftigt, den Kompost umzusetzen, durchzusieben und auf den Beeten in den Gewächshäusern zu verteilen. Nur meine Kräuterbeete bekamen keine Komposterde, die mochten es lieber mager, und das wusste Herr Kabulke auch.
»Klappt es, Herr Kabulke?«, rief ich im Vorbeigehen. Herr Kabulke war ein kleines bisschen schwerhörig.
»Ist nicht von Pa-pa-pappe, so eine Schubkarre«, rief er zurück. »Aber das kr-kr-kriegen wir schon
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