Ein unmoralisches Sonderangebot - Gier, K: Unmoralisches Sonderangebot
gefahren und summte dabei einen alten Gassenhauer. Ich lächelte ihm zu. Er liebte seine Arbeit, genau wie ich. Und welchem Stil sein Kapotthütchen zuzuordnen war, wusste wahrscheinlich auch niemand.
»Dann spucken wir mal in die Hände«, sagte Herr Kabulke.
»Genau«, sagte Evelyn. »Ich könnte sofort in den Baumarkt fahren.«
»Aber hier hat niemand Zeit für so was«, sagte ich.
»Ich schon«, sagte Evelyn. »Und zu zweit hat man schnell was geschafft.«
»Aber ich muss jetzt Cosmeen pikieren. In Gewächshaus fünf«, sagte ich. »Wenn du willst, kannst du
mir
helfen.«
»Hm«, machte Evelyn. Dann drehte sie sich abrupt zu Herr Kabulke um. »Sagen Sie mal, Herr Kakabulke …«
»
Ka
bulke!«, zischte ich ihr irritiert zu.
»… können Sie eigentlich Tapeten von den Wänden reißen?«
Herr Kabulke sah beleidigt aus. »Das kann ja wohl jedes Ki-ki-kind«, sagte er.
»Und mit Pinsel und Farbe umgehen?«
Herr Kabulke ließ die Schaufel sinken. »Selbstverständlich! Ich habe mein Leben lang ka-ka-keinen Maler und Anstreicher gebraucht.«
Evelyn lächelte mich zufrieden an. »Da hörst du es.«
Ich schüttelte den Kopf. »Herr
Kabulke
wird hier gebraucht!«
»Aber Herr Kakabulke hätte vielleicht mal gerne etwas Abwechlung vom Kompostschaufeln, oder, Herr Kakabulke?«
»Er heißt
Kabulke
«, zischte ich wieder, in der Hoffnung, dass Herr Kabulke es nicht hörte. »Nur ein Ka!«
»Tatsächlich? Mir hat er sich aber als Kakabulke vorgestellt«, zischte Evelyn zurück.
»Er
stottert
doch«, flüsterte ich empört.
Herr Kabulke hob das Schlapphütchen etwas an und kratzte sich am Kopf. »Hätt ich nichts dagegen. Ka-kakann auch gut mit Hammer und Meißel umgehen. Und mit Säge und Bohrmaschine.«
»Na, siehst du«, sagte Evelyn zu mir. »Herr Kakabulke ist ein Universaltalent! Wäre doch zu schade, seine vielen Talente brachliegen zu lassen. Wenn er sich hier ein bisschenbeeilt, dann kann er heute noch in meinem Zimmer mit dem Runterreißen der Tapete beginnen.«
Ich blieb unschlüssig stehen. Eigentlich sprach nichts dagegen. Nur dass Frau Kabulke sich hinterher wieder bei uns beschweren würde, weil ihr armer Mann nicht mehr in der Lage war, das Tanzbein zu schwingen.
»Geh schon, deine Pygmäen warten«, sagte Evelyn. »Herr Kakabulke und ich, wir werden uns schon einigen.«
»Es heißt Cosmeen und Kabulke«, sagte ich mit einem Anflug von Verzweiflung, aber Evelyn hatte sich schon von mir abgewandt.
Pikieren ist eine wunderbar meditative Arbeit. Man macht hundertmal das Gleiche, Pflänzchen büschelweise anheben, vorsichtig teilen und in vorbereitete Töpfe setzen, anheben, teilen, setzen, anheben, teilen setzen – einen ganzen Vormittag lang. Stephan verstand nicht, dass ich dabei nicht wenigstens Radio hören wollte, aber ich mochte keine plärrende Musik, das hätte den intimen Charakter der Arbeit gestört. Außerdem konnte man sich bei Musik nicht so gut mit den Pflanzen unterhalten. Jeder fertig bepflanzte Blumentopf erfüllte mich mit Triumph: Es waren die Pflanzen aus Samen von Cosmeen vom Vorjahr, die Töpfe hatte ich über Monate gesammelt, und sogar die Erde stammte überwiegend aus eigener Produktion. Billiger konnte man wohl kaum produzieren, das musste doch selbst Stephan zugeben. Sicher, er würde mir wieder was vorrechnen, von wegen Stundenlohn und Wasser- und Heizkosten und blablabla, aber ich war sicher, dass die Cosmeen meine Kunden am Ende glücklicher machen würden, als es Begonien jemals vermochten.
Als ich fast fertig war, kam Stephan zur Tür herein. Ich ließ alles stehen und liegen und flog ihm in die Arme.
»Vorsicht, meine Klamotten!«, lachte er. »Oh, da hat mich aber einer vermisst.«
»Das kann man wohl sagen«, murmelte ich, das Gesicht an sein Polohemd gedrückt. »Du mich auch?«
»War es denn so furchtbar?«
Nein, es war natürlich nicht furchtbar gewesen. Im Grunde war es sogar ziemlich nett gewesen, um ehrlich zu sein. Es war nur furchtbar, dass ich nicht bei Stephan sein konnte. Und dass Oliver mich heute Morgen auf dem Klo gesehen hatte, natürlich. Das war auch furchtbar. Da durfte ich gar nicht dran denken, so furchtbar war das.
»Und bei dir?«, fragte ich ablenkend. »Hast du daran gedacht, dir zum Schlafen was drüber zu ziehen? Was hatte Evelyn an? War es etwas Fließendes aus Seide, mit Spaghettiträgern?« In etwas anderem konnte ich mir Evelyn beim besten Willen nicht vorstellen.
»Ach, Molli-Olli«, sagte Stephan, ohne eine meiner
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