Ein unsittliches Angebot (German Edition)
kann.«
Martha wusste kaum, ob sie lachen oder ihm eins auf die Finger geben sollte. Vermutlich weder noch. Die Menschen neigen dazu, unsere Erwartungen an sie zu erfüllen , hatte Mr Atkins gesagt. Was, wenn sie ihm einen Vertrauensvorschuss gab? »Ich würde diese Bücher sehr gern lesen. Es ist sehr gut von Ihnen, dass Sie sich daran erinnern. Aber ich denke, Sie sollten sie lieber mit mir zusammen lesen, anstatt sich auf meine Berichte zu verlassen. Vielleicht könnten wir uns jeden Tag eine Stunde lang in meinem Arbeitszimmer zusammensetzen, wenn die andere Angelegenheit erledigt ist.«
Wenn die andere Angelegenheit erledigt ist . Drei Tage später spukten ihm die Worte noch immer im Kopf herum. Sie empfing ihn jetzt immer freundlich und hatte ihren entsetzlichen, missbilligenden Widerstand aufgegeben, doch es war offensichtlich, dass sie die Angelegenheit tatsächlich nur erledigt wissen wollte. Falls sie überhaupt fleischliche Lust empfinden konnte, so schlummerte diese Fähigkeit tief und fest.
Er streckte sich gähnend und spürte, wie seine Schulterblätter sich in den Teppich bohrten. Sie hatte die Grundstückskarte im Salon auf dem Fußboden ausgerollt und mit einer Vase, einer Untertasse und zwei Büchern beschwert, und es war ihm kameradschaftlich erschienen, sich zu ihr auf den Boden zu gesellen. Die Schulstunden-Routine hatte sich generell als recht entspannend erwiesen, denn meistens konnte er auf dem Sofa vor sich hin dösen und der lebhaften Melodie ihrer Stimme lauschen, während sie ihm vorlas.
Sie blickte bei seiner Bewegung kurz auf. »Eine dieser umrandeten Flächen scheint zwischen Ihrem und meinem Land zu liegen, wenn ich die Zeichnung richtig verstehe. Ich bin nicht ganz sicher, wo ich mir die Grenzen von Seton Park vorzustellen habe, doch wenn es der Ort ist, an den ich denke, dann weiden dort einige meiner Pächter ihre Schafe, glaube ich.« Sie runzelte nachdenklich die Stirn und schien keine Antwort zu erwarten.
Theo fuhr sich durch die Haare. Der Teppich war nicht annähernd so bequem wie das Sofa, aber man sah den Raum einmal aus einer neuen Perspektive. Der Stuck, der die Decke umrahmte, war vorzügliche Arbeit. Italienischer Stil, wenn er sich nicht irrte. Schnörkel und so. Er gähnte abermals, die Faust vor dem Mund. »Wissen Sie, was wir tun sollten?«
»Nein.« Sie sprach mit der Landkarte. »Das haben wir heute schon getan. Jetzt lernen wir. Können Sie Ihren Appetit nicht bis morgen unter Kontrolle behalten?«
»Was Sie doch für schamlose, sündhafte Gedanken haben!« Er rollte sich auf die Seite und stützte den Kopf auf die Hand. Ihre strenge schulmeisternde Art hatte begonnen, ihm zu gefallen. »Ich hatte nichts dergleichen im Sinn. Aber jetzt haben Sie mir solche Flausen in den Kopf gesetzt.«
»Dann müssen Sie sie sich wieder austreiben. Ich schlage einen flotten Spaziergang vor.« Auch das hatte sie zur Landkarte gesprochen, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Er war sich fast sicher, dass sie langsam begann, dieser Routine etwas abzugewinnen; dass es ihr eine gewisse Befriedigung gab, seine abschweifenden Gedanken zu maßregeln. Vielleicht würde sie später ja auch anderen Dingen mehr abgewinnen können.
»Da haben Sie Glück. Einen Spaziergang wollte ich eben vorschlagen.« Ihr Kinn schoss in die Höhe, doch er ließ sich nicht abbringen. »Wir nehmen die Karte mit und schauen uns diese Parzellen selbst an.« Eins nach dem anderen schob er die Gewichte beiseite. »Ich gehe hintenherum und klingele an der Vordertür, und wir gehen gemeinsam dieses Stück Land zwischen Ihrem und meinem Besitz begutachten. Was könnte respektabler sein?«
Sie zögerte. Die Uhr auf dem Kaminsims tickte, und die Karte raschelte und wisperte, als er sie zusammenrollte. »Sie werden äußerste Diskretion an den Tag legen, falls wir jemandem begegnen?«
»Na und ob! Ohne diese Fähigkeit wäre ich doch nicht halb so beliebt bei den verheirateten Damen Londons.« Er zwinkerte ihr zu, als ihr Gesicht sich tadelnd verdüsterte, und stand auf. »Die frische Luft wird uns guttun, das verspreche ich Ihnen. Ist Ihnen bewusst, dass wir schon elf Tage miteinander bekannt sind und einander nur drinnen begegnet sind? Das kann nicht gesund sein, und außerdem will ich sehen, wie Sie in der Sonne aussehen. Geben Sie mir fünfzehn Minuten; ich komme in Ihre Einfahrt.«
Etwas mehr als fünfzehn Minuten später waren sie draußen – und er konnte noch immer nicht sagen, wie sie in der
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