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Ein unsittliches Angebot (German Edition)

Ein unsittliches Angebot (German Edition)

Titel: Ein unsittliches Angebot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Grant
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Sonne aussah, denn sie trug eine schwarze Haube, die ihre Züge gänzlich verbarg. Er hätte von unten hineinblicken müssen, um sie zu sehen, und dafür hätte er ihr den Weg abschneiden müssen. Nebeneinander schritten sie über die große Rasenfläche auf einige kleine Anhöhen im Osten zu.
    Ihr Lauftempo harmonierte erstaunlich gut, wenn man bedachte, wie unähnlich sie sich in jeder anderen Hinsicht waren. Sie schritt entschlossen aus und hielt mit seinem längeren, müheloseren Schritt mit. Gemeinsam hätten sie bis ans Ende der Welt gehen können, wenngleich der Gesprächsstoff ihnen lange vor dem Ziel ausgegangen wäre.
    »Freuen Sie sich darauf, ein Baronet zu werden?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Ganz und gar nicht.« Er nahm die Karte unter den anderen Arm.
    »Nicht?« Die Hutkrempe schwenkte in seine Richtung; er konnte ihr Kinn ausmachen und ihre Unterlippe, die sich anschickte, ihn einzuschätzen.
    »Nein, meine Liebe. Ich werde mehr Verantwortung tragen, ohne dafür mehr Privilegien zu bekommen.«
    »Gewiss werden Sie merken, dass Sie der Verantwortung gewachsen sind, wenn es so weit ist.«
    »Ein Mann kann allen möglichen Dingen gewachsen sein und es dennoch vorziehen, sie nicht zu unternehmen.« Ja, da war er, der vor Missbilligung zusammengepresste Mund. »Aber das war nur so dahergesagt. Verantwortung hin oder her; ich kann dem Ereignis, das mich zum Baronet werden lassen wird, nicht mit Freude entgegensehen, also kann ich mich auch nicht auf meinen Baronet-Status freuen.« Plötzlich war sie nicht mehr an seiner Seite, und als er sich nach ihr umdrehte, sah er sie stocksteif hinter sich stehen, das Kinn gehoben, sodass er ihr endlich ganz ins Gesicht sehen konnte. »Bitte sagen Sie nicht, dass Sie das verwundert.«
    Selbst im Schatten ihrer Haube konnte er sie erröten sehen. »Verwundert bin ich nicht. Aber vielleicht etwas überrascht. Sie wollen damit sagen, dass Sie Ihren Vater lieben.«
    »Nicht unbedingt. Es liegt einiges dazwischen, jemanden zu lieben und sich sein Ableben zu wünschen.« Er ging weiter und hörte, dass sie folgte, ein oder zwei Schritte hinter ihm, so als wolle sie ihn begutachten und diese neue Erkenntnis mit dem Bild in Einklang bringen, das sie sich bisher von ihm gemacht hatte. »Aber ich schätze schon, dass ich ihn ziemlich gernhabe.« Jetzt würde er sie noch weiter verwirren. »Das habe ich mir vorgenommen, und bislang hat er es nicht geschafft, mich davon abzubringen.«
    »Nicht einmal, indem er Sie für etwas so Belangloses wie eine Schnupftabakdose verbannt hat?«
    »Es ging nicht nur um die Tabakdose.« Er bückte sich, um einen langen Grashalm zu pflücken und um ihrem Blick auszuweichen. Hatte sie soeben für ihn Partei ergriffen, oder hatte er sich verhört? »Ich war schon immer ein ziemlicher Tunichtgut. Zu nichts nütze.« Das hatte er schon immer freimütig zugegeben. Im White’s hatte es ihm einige Lacher eingebracht. Doch irgendwie klang es hier draußen bei Weitem nicht so lustig. »Ich habe vor, mich zu bessern, irgendwann.« Er zwirbelte den Grashalm zwischen Daumen und Zeigefinger. »Aufrecht und respektabel und so weiter zu werden. Spätestens wenn ich ein Baronet bin.«
    »Wenn Sie wissen, dass Sie es besser können, warum dann nicht jetzt?« Da kam die Standpauke. So viel dazu, dass sie für ihn Partei ergriffen hatte.
    »Vorsicht, Teuerste! Denken Sie doch mal nach. Wäre es wirklich in Ihrem Interesse, wenn ich mich jetzt sofort ändern würde?« Er wandte sich um, um sie anzugrinsen, und die Art, mit der die Haube sich senkte und das Gespräch verebbte, verriet ihm, dass sie ihn verstanden hatte.
    Gut so. Er warf den Grashalm weg, und sie gingen weiter. Auch ohne Unterhaltung war es ein wundervoller Tag, um mit einer Frau spazieren zu gehen. Die Luft roch frisch, denn in der Nacht hatte es ein wenig geregnet, und das Gras war mit verschlafenen weißen, gelben und violetten Spätsommerblumen gesprenkelt. Vögel flogen auf, landeten wieder und riefen einander in einem Dialekt, der ganz anders klang als die Vogelstimmen Lincolnshires. Auf einem nahe gelegenen Hügel durchkämmte eine sanfte Brise das Gras wie eine unsichtbare Hand.
    »Wir müssen über diesen Hügel.« Ihre ausgestreckte schwarze Hand hob sich dunkel vom leuchtend blauen Himmel ab. »Der Ort, den ich im Sinn habe, ist gleich auf der anderen Seite.«
    Langsam erklommen sie die Anhöhe – welcher abartige Teufel hatte eigentlich beschlossen, dass Witwen Schwarz tragen

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