Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein unverschaemt charmanter Getleman

Titel: Ein unverschaemt charmanter Getleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
Vom Netzwerk:
Carsington. Mirabel und der Captain zogen sich unterdessen in die Bibliothek zurück, um dort das ärztliche Urteil abzuwarten.
    Ungefähr eine halbe Stunde später gesellte sich der Doktor wieder zu ihnen und wollte gerade damit beginnen, seine Diagnose vorzutragen, als Mr. Oldridge mit besorgter Miene hereingestürmt kam. Wie immer war er rechtzeitig zum Abendessen von seinen Wanderungen heimgekehrt, und Dr. Woodfreys Pferdegespann vor dem Haus stehen zu sehen hatte ihm einen großen Schrecken eingejagt und ihn sofort befürchten lassen, Mirabel könne krank sein.
    Mirabel verbarg geschickt ihre Verwunderung darüber, dass ihr Vater a) etwas so Unpflanzliches wie ein Pferdegespann überhaupt wahrnahm, b) erkannt hatte, wem es gehörte, und c) sich um sie sorgte, und klärte ihn nun rasch über Mr. Carsingtons Sturz und sein nachfolgendes eigentümliches Verhalten auf.
    „Du lieber Himmel“, rief Mr. Oldridge bestürzt. „Ich will nicht hoffen, dass er sich den Schädel gebrochen hat. Der Boden kann mancherorts sehr trügerisch sein, besonders nahe den stillgelegten Minen. Ich bin dort selber schon mehr als einmal gestürzt. Zum Glück sind wir Oldridges von so robuster Dickköpfigkeit.“
    „Nein, sein Schädel ist nicht gebrochen“, versicherte ihm Dr. Woodfrey.
    „Liegt es dann am Fieber?“, wollte Mirabel wissen. „Hat das sein Delirium ausgelöst?“
    „Gegenwärtig fiebert er nicht“, teilte der Arzt ihr mit. „Die ganze Zeit, da ich bei ihm war, machte er zudem einen völlig vernünftigen Eindruck.“
    Dennoch, so wandte er ein, könne es sein, dass der Patient eine Gehirnerschütterung davongetragen habe - wenngleich wohl allenfalls eine leichte. Dem Vernehmen nach habe er das Bewusstsein nicht länger als ein oder zwei Minuten verloren - vielleicht sogar nur für wenige Sekunden - und wies zudem keines der Symptome einer ernsthaften Kopfverletzung auf: Weder war er schläfrig oder benommen, noch musste er sich übergeben oder litt unter Anfällen. Trotzdem bedurfte er während der nächsten achtundvierzig Stunden der sorgsamen Beobachtung.
    Dr. Woodfrey befürchtete, dass während dieser Zeit eine Erkältung oder eine Reizung der Lungen auftreten könnte. Dieser Umstand, zusammen mit dem gestauchten Knöchel, ließe es doch sehr ratsam erscheinen, den Gentleman nicht sogleich in sein Hotel zurückkehren zu lassen - wie dieser es als Wunsch geäußert habe.
    Nachdem er sein Urteil gesprochen hatte, nahm der Doktor Mirabel beiseite, um ihr weitergehende Anweisungen zu geben.
    „Es ist von größter Bedeutung, dass unser Patient bleibt, wo er ist“, erklärte er ihr. „Von seinem Gehirn und seinem Knöchel abgesehen, die beide Ruhe brauchen, um ordentlich heilen zu können, zeigen seine Nerven Symptome der Erschöpfung. Dies könnte sich als das weitaus besorgniserregendere Leiden erweisen. Von Zuständen akuter Erschöpfung ist bekannt, dass sie Halluzinationen und irrationales Verhalten auszulösen vermögen - womit sich auch erklären ließe, was Sie für ein Delirium hielten.“
    Mirabel konnte nicht glauben, dass Mr. Carsington auch nur an irgendeiner Form von Erschöpfung litt oder gar ein nervöses Leiden hätte.
    Wohl wahr, er beherrschte die modische Pose gelangweilter Trägheit meisterlich, aber er war dabei keineswegs schwächlich. Ganz im Gegenteil - er hatte etwas gefährlich und unwiderstehlich Bezwingendes an sich.
    Sie erinnerte sich, wie er seine Hände um ihre Taille gelegt hatte, wie sie am ganzen Leib hatte spüren können, wie stark er war, und wie heftig, ja geradezu aberwitzig sie auf seine Berührung reagiert hatte. Sie wüsste nicht, wann die bloße Nähe eines Mannes sie je so zutiefst verunsichert hatte. Selbst William, den sie mit aufrichtiger Leidenschaft geliebt hatte, hatte es nicht vermocht, sie mit so wenig Aufwand so viel empfinden zu lassen.
    Auch William war über die Maßen männlich, kraftvoll und gut aussehend gewesen. Aber bei ihm hatte sie nie jede seiner Stimmungen fühlen können, wie sie es in Mr. Carsingtons Nähe vermochte: seinen Verdruss, der die Luft vor Spannung aufzuladen schien - und schlimmer noch, seinen ungezwungenen Charme, den sie wie eine Liebkosung zu spüren meinte und dem zu widerstehen sie nahezu unmöglich fand.
    Erneut kam ihr seine Bemerkung über seine Stiefel in den Sinn - „so lieb und teuer“ - und das schelmische Grinsen, das ihn so jungenhaft wirken ließ, und so sagte sie: „Er ist wahrlich der letzte Mann auf Erden, von

Weitere Kostenlose Bücher