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Ein unverschaemt charmanter Getleman

Titel: Ein unverschaemt charmanter Getleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
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dem ich annehmen würde, dass er geschwächt und erschöpft ist.“
    „Ich stimme Ihnen dahin gehend zu, dass er tatsächlich recht gesund aussieht“, meinte Dr. Woodfrey. „Aber der heute erlittene Schock hat eine sehr heikle Verfasstheit aus dem Gleichgewicht gebracht. Ruhe und Erholung sind die beste Medizin. Ich überlasse es Ihnen, wie Sie ihn dazu bringen wollen. Sie sind eine einfallsreiche junge Frau, und ich vertraue auf Ihr Geschick.“
    Er gab ihr noch einige unkomplizierte Anweisungen hinsichtlich Kost und Behandlung des Kranken, schlug ihre Einladung, zum Abendessen zu bleiben, mit Bedauern aus und machte sich dann auf den Weg zu seinem nächsten Patienten. Mirabel blieb es nun überlassen, sich eine Strategie auszudenken, den Mann fügsam zu machen, den sogar der Earl of Hargate schwer zu handhaben fand.
    „Woodfrey täuscht sich“, verkündete Alistair in demselben herrischen Ton, den sein Vater immer dann gebrauchte, wenn er sich jede Widerrede verbitten wollte. Es war zugegebenermaßen nicht einfach, einschüchternd zu wirken, wenn man im Bett saß, nur ein Nachthemd trug und das Bein zudem auf einem Stapel Kissen ruhen hatte, aber er würde sich doch nicht von einem kleinen Kobold von Arzt und einer schlecht gekleideten jungen Frau tyrannisieren lassen!
    Letztere betrachtete ihn mit so besorgter Miene, dass er wieder ganz unruhig zu werden begann.
    „Ich bin mir nicht sicher, ob Sie in Ihrem derzeitigen Zustand in der Lage sind zu beurteilen, was für Sie am besten ist“, befand Miss Oldridge.
    „Ich kann das besser beurteilen als er“, entgegnete Alistair. „Woodfrey kennt mich überhaupt nicht. Ich habe die Konstitution meiner Großmutter väterlicherseits geerbt. Sie ist zweiundachtzig, geht an drei Abenden die Woche aus und ist beim Whist nicht zu schlagen. Sie verfügt über ihre Geisteskräfte ebenso souverän wie über den Rest der Welt, denn das Alter hat die tödliche Klinge ihrer Zunge nur zu schärfen verstanden. Niemals würde sie sich von einem gestauchten Knöchel oder einem kleinen Sturz auf den Kopf ans Bett fesseln lassen.“
    Daraufhin erwiderte Miss Oldridge zunächst nichts. Sie nickte dem Hausdiener kurz zu, damit er Alistairs Tablett abräume.
    Da sie ihm beim Abendessen Gesellschaft geleistet hatte, würde ihr wohl kaum entgangen sein, dass mit seinem Appetit alles in bester Ordnung war. Nicht einen Krümel hatte er übrig gelassen!
    Als der Diener sie allein gelassen hatte, ging sie vom Kaminfeuer hinüber zum Fenster an der gegenüberliegenden Seite des Zimmers. Es war nicht ihre erste derartige Wanderung an diesem Abend. Selbst während Alistair sich beherzt über sein Essen hergemacht hatte, waren seine Blicke immer wieder ihren sich im Takt ihrer Schritte wiegenden Hüften gefolgt. Nun, da auch das Tablett abgetragen war, würde er ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken können.
    Sie trug ein weinrotes Kleid aus Seidentaft mit blauen Bordüren. Der Schnitt war zu streng, und die Farben standen ihr abermals nur unvorteilhaft zu Gesicht, aber es war das am wenigsten unerfreuliche Kleid, das sie bislang getragen hatte.
    Ihre Zofe mit den zwei linken Händen hatte den Versuch unternommen, ihr das Haar in einem altrömischen Stil zu frisieren, der vor einigen Jahren modern gewesen war. Wie nicht anders zu erwarten, begannen die beiden Haarknoten hinten am Kopf bereits wieder, sich aufzulösen.
    Miss Oldridges Weg zwischen Kamin und Fenster war gesäumt von am Boden liegenden Haarnadeln, die im Schein der Kerzen und des Kaminfeuers schimmerten. Der Himmel stehe ihm bei, dachte Alistair, aber der Anblick erregte ihn.
    Dem war jedoch auch etwas Gutes abzugewinnen, befand er, denn solange ihn schon bloße Haarnadeln zu erregen vermochten, konnte er dem Tod so nahe noch nicht sein.
    „Wenn Sie Ihrem Knöchel keine Ruhe gönnen, wird er nicht ordentlich heilen“, ließ sie ihn nun wissen und lief zurück zum Kamin. „Das Gelenk würde dann für immer geschwächt und anfällig für weitere Verletzungen sein.“
    „Ihr kleiner Doktor übertreibt“, erwiderte Alistair. „Mediziner stellen stets düstere Prognosen. Wenn der Patient dann stirbt, so war es nicht ihre Schuld, und wenn er sich erholt, dann verdankt sich dies wohlweislich allein ihren Fähigkeiten.“
    „Es ist allgemein bekannt, wie bei Verstauchungen zu verfahren ist“, entgegnete sie. „Zumindest uns hier auf dem Lande ist das bekannt. Es wäre sehr unklug von Ihnen, ein solches Risiko einzugehen,

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