Ein Vampir für alle Fälle
essen bestellen wollten.
Mich wunderte natürlich, dass Crystal Alkohol trank, aber das war nicht meine Sache, hatte ich entschieden.
»Ich nehme einen Cheeseburger mit Pommes«, sagte Jason. Keine allzu große Überraschung.
»Und du, Crystal?«, fragte ich, weil ich freundlich sein wollte. Immerhin war sie meine Schwägerin.
»Oh, ich habe nicht genug Geld für Essen«, sagte sie.
Was sollte ich dazu sagen? Fragend sah ich Jason an, doch er zuckte nur die Achseln. Ein Achselzucken, das (für seine Schwester) besagte: »Ich habe einen richtig dummen Fehler gemacht, werde das aber auf keinen Fall zugeben, denn ich bin ein sturer Mistkerl.«
»Crystal, ich lade dich gern zum Lunch ein«, sagte ich ruhig. »Was möchtest du denn?«
Sie blickte ihren Ehemann finster an. »Dasselbe, Sookie.«
Ich schrieb ihre Bestellung auf einen Extrazettel und lief zur Durchreiche, um sie weiterzugeben. Herrje, Jason regte mich echt auf, aber im Grunde ärgerte ich mich über beide. Die ganze Geschichte war glasklar in ihren Gedanken zu lesen gewesen, und seit ich begriffen hatte, was los war, hatte ich von den beiden die Nase gestrichen voll.
Crystal und Jason wohnten in Jasons Haus, doch Crystal fuhr fast jeden Tag nach Hotshot hinaus, wo sie sich wohler fühlte, weil sie sich dort nicht verstellen musste. Außerdem war sie es gewohnt, ihre Verwandten um sich zu haben, und sie vermisste ihre Schwester und deren kleine Kinder. Tanya Grissom hatte bei Crystals Schwester ein Zimmer gemietet, das Zimmer, in dem Crystal bis zu ihrer Heirat mit Jason gewohnt hatte. Und so hatten sich Crystal und Tanya sofort angefreundet. Da Shoppen Tanyas liebstes Hobby war, hatte Crystal sie des Öfteren begleitet. Und dabei war all das Geld draufgegangen, das Jason ihr von seinem Gehalt für den Haushalt gegeben hatte. Schon zweimal nacheinander, trotz diverser Szenen und Streitereien.
Jetzt weigerte Jason sich, ihr überhaupt noch Geld zu geben. Er machte alle Lebensmitteleinkäufe selbst, holte Sachen aus der Reinigung ab und bezahlte eigenhändig jede Rechnung. Crystal solle sich einen Job suchen, hatte er ihr gesagt, wenn sie eigenes Geld haben wolle. Und weil Crystal keine Ausbildung hatte und auch noch schwanger war, besaß sie jetzt nicht einen Cent.
Jason versuchte, Crystal die Folgen ihres Handelns vor Augen zu führen; seine Ehefrau aber in aller Öffentlichkeit vorzuführen, würde die schlimmsten Folgen haben. Was konnte mein Bruder bloß für ein Idiot sein.
Und was sollte ich jetzt tun? Hm... gar nichts. Das Problem mussten die beiden selbst lösen. Ich sah da einfach zwei Spätpubertäre vor mir, die nie erwachsen geworden waren, und was ihre Chancen betraf, war ich nicht allzu optimistisch.
Mit äußerst ungutem Gefühl erinnerte ich mich an die ungewöhnlichen Gelöbnisse bei der Hochzeit. Zumindest mir waren sie seltsam erschienen, in Hotshot galten sie, soweit ich wusste, als völlig normal. Als Jasons nächste noch lebende Verwandte hatte ich gelobt, die Strafe auf mich zu nehmen, wenn Jason eine Verfehlung begehen sollte, genau so, wie Calvin Norris es für seine Nichte Crystal gelobt hatte. Ein verdammt voreiliges Gelöbnis, wenn ich es mir richtig überlegte.
Als ich ihnen die Teller an den Tisch brachte, waren sie vollauf damit beschäftigt, den anderen zu ignorieren. Vorsichtig stellte ich das Essen ab, brachte ihnen eine Flasche Heinz-Ketchup und verzog mich wieder. Ich hatte mich schon viel zu sehr eingemischt, als ich Crystal das Essen spendierte.
Eine Person, die in all das verwickelt war, könnte ich mir allerdings vorknöpfen, und ich versprach mir selbst auf der Stelle, dass ich das auch tun würde. All meine Wut und Unzufriedenheit konzentrierten sich nun auf Tanya Grissom. Ich würde dieser Frau etwas wirklich Schreckliches antun. Was zum Teufel hatte sie hier zu suchen? Warum scharwenzelte sie um Sam herum? Welchen Zweck verfolgte sie damit, dass sie Crystal in diesen Kaufrausch trieb? (Denn ich hielt es keine Sekunde lang für Zufall, dass Tanyas neuste beste Freundin ausgerechnet meine Schwägerin war.) Wollte Tanya mich zu Tode nerven? Sie schwirrte herum wie eine lästige Pferdebremse, die man gelegentlich mal zu sehen bekam ... aber nie lange genug, um sie zu erschlagen. Während ich wie auf Autopilot herumlief und meinen Job erledigte, grübelte ich vor mich hin, wie ich sie aus meiner Umlaufbahn schießen könnte. Zum ersten Mal in meinem Leben dachte ich darüber nach, jemanden gewaltsam
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