Ein Vampir fuer alle Sinne
schlug auf einer Seite des Betts die Decke zurück und klopfte leicht auf die Matratze.
»Aber ich bin doch gerade erst aufgewacht«, wandte Livy ein.
»Ich weiß, Schatz. Aber es ist schon spät, und du willst doch morgen frisch und munter sein, wenn es an den See geht, nicht wahr?«, köderte sie die Kleine.
Livy überlegte kurz und nickte, rührte sich dennoch nicht von der Stelle. »Aber ich kann nicht in meinen Sachen schlafen.«
»In der Walmart-Tasche ist auch ein Schlafanzug für dich«, sagte Paul und stand auf, um die Einkaufstasche zu holen, die Jeanne Louise am Fußende des Betts abgestellt hatte.
»Ich hole sie schon«, rief Jeanne Louise hastig und eilte zu der Tasche.
»Ich bin kein Pflegefall, Jeanie, ich kann das auch erledigen«, konterte Paul gereizt und griff vor ihr nach der Tasche. Dann verzog er den Mund und setzte ein entschuldigendes Lächeln auf. »Ich erledige das schon.«
Jeanne Louise nickte und machte einen Schritt zur Seite, damit er die Tasche auf dem Bett auskippen und nach dem Schlafanzug für Livy suchen konnte. Er hatte wie versprochen Anziehsachen für Jeanne Louise mitgebracht, außerdem T-Shirt und Shorts für Livy sowie Jeans und ein T-Shirt für sich selbst. An einen Schlafanzug für sich oder Jeanne Louise hatte er allerdings nicht gedacht. Normalerweise trug er keinen Schlafanzug, weshalb ihm auch nicht in den Sinn gekommen war, etwas in der Richtung für sie mitzubringen. An den Pyjama für Livy hatte er eigentlich auch nur gedacht, weil ihm an einem Kleiderständer das leuchtende Rosa und die weißen Dalmatiner auf der Vorderseite förmlich ins Auge gesprungen waren.
Seufzend legte Paul seine und Livys neue Sachen zur Seite, packte die Teile für Jeanne Louise zurück in die Tasche und übergab sie ihr. »Tut mir leid, ich habe nicht daran gedacht, dir einen Schlafanzug mitzubringen.«
»Nicht so schlimm«, erwiderte sie und nahm den Beutel entgegen. »Ich kann auch in T-Shirt und Slip schlafen.«
Paul stutzte, als er das hörte. Zum Glück bekam sie davon nichts mit, da sie mit dem Rücken zu ihm stand. Er verdrängte das plötzlich entstandene Bild aus seinem Kopf und ging um das Bett herum.
»Steh auf, Knuffel«, sagte er lächelnd zu seiner Tochter.
Kichernd stellte sich Livy vor ihm auf das Bett und begann auf der Stelle zu hopsen, während er ihr das T-Shirt auszog. Sie sprang immer noch umher, als er damit beschäftigt war, ihr den Pyjama überzustreifen, aber dann überlistete er sie, indem er im Sprung ihre Füße zu fassen bekam und die Beine nach vorne zog. Nachdem sie rücklings auf dem Bett gelandet war, zog er ihr die Shorts aus und die Schlafanzughose an. Erst als sie damit fertig waren, fiel ihm ein, dass es vielleicht besser gewesen wäre, sie vom Hüpfen abzuhalten und sie nicht so auf das Bett fallen zu lassen. Am Ende bekam sie nur wieder Kopfschmerzen, und das war nun wirklich nicht nötig.
Zum Glück passierte nichts dergleichen, und Livy lachte lauthals, als sie auf dem Bett auf- und abfederte. Boomer hielt das wohl für ein neues Spiel und sprang aufgeregt bellend aufs Bett. Paul schickte den Hund wieder runter, dann sah er zu Livy, die ihn mit leuchtenden Augen ansah. Ihre Wangen waren so rosig wie schon lange nicht mehr. Hätte man ihm in der Arztpraxis nicht die Bilder der Computertomografie gezeigt, und wären da nicht seit Wochen diese quälenden Kopfschmerzen gewesen, dann hätte er fast glauben können, dass sie kerngesund war. Aber dem war nicht so. Sie war todkrank. Der Gedanke ließ ihn ernst werden, und mit erstickter Stimme sagte er: »So, jetzt ab unter die Decke mit dir.«
»Okay«, erwiderte sie gut gelaunt, stellte sich aber noch einmal hin und umarmte Paul. Dann gab sie ihm einen Kuss und legte sich hin, schob die Füße unter die Decke und schlug sie um. Sie schloss die Augen und gab sofort ein lautes Schnarchen von sich, als würde sie tief schlafen.
»Kleines Äffchen«, flüsterte Paul und brachte ein schwaches Lächeln zustande.
Livy machte die Augen kurz auf und grinste ihn breit an, dann legte sie sich wieder hin und schlief sofort ein. Was Jeanne Louise zu verdanken war, wie Paul wusste. Er sah Jeanne Louise nicht an, sondern betrachtete weiter seine kleine Tochter und bekräftigte wortlos seinen Entschluss, ihr Leben zu retten. Er würde Jeanne Louise schon davon überzeugen, sie zu wandeln. Er hatte gar keine andere Wahl.
»Ich gehe duschen«, hörte er sie leise sagen und nickte, drehte sich aber nicht zu
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