Ein Vampir ist nicht genug - Roman
Blick von der Kamera ab
und ließ ihn zur Seite rücken. Aidyn Strait erschien neben ihm und Bozcowski vor der Linse. Ich kämpfte darum, ruhig zu bleiben und die Wut zu verbergen, die mich mit atemberaubender Kraft ergriff.
»Es geht doch nichts über ein fehlgeschlagenes Experiment«, informierte Aidyn mich. »Ich war mit einem ganz anderen Projekt beschäftigt, als ich durch Zufall die Rote Pest entdeckte. Und es wäre mir ohne eine Reihe von Testläufen nie gelungen, sie so weit zu entwickeln, dass sie ihre volle Wirkung entfaltet.«
Die Rote Pest? So ein simpler Name für etwas, das auf eine so grauenhafte Wirkung ausgelegt ist. Mir war klar, dass wir nur eine Chance haben würden, das Ruder herumzureißen, also spielte ich mit und angelte nach Informationen, suchte nach einer kleinen Nachlässigkeit, die ihren Schwachpunkt verraten würde. Ich sagte: »Das ist es, was ich nicht verstehe. Warum sorgen Sie nicht einfach dafür, dass es sich verbreitet, so wie die Grippe? Warum dieser ganze aufwendige Mensch-zu-Vampir-Zirkus?«
Aidyn konnte es gar nicht abwarten, mit seinem Baby anzugeben. Er sprach eifrig weiter, als wäre ich der Wissenschaftsjournalist der New York Times . »Als ich mit diesem Experiment begann, habe ich eine Übertragung durch Geschlechtsverkehr angestrebt. Ihre Leute waren so begeistert von der freien Liebe und wechselnden Partnern, dass ich davon ausgehen konnte, fünfundsechzig Prozent von euch würden innerhalb von sechs Wochen sterben. Doch das Virus mutierte zu einer nicht tödlichen Form der Lungenentzündung, wenn es von einem Menschen auf den anderen übertragen wurde.«
»Wie frustrierend für Sie«, bemerkte ich.
Aidyn nickte finster; der Sarkasmus entging ihm völlig. Er fuhr fort: »Ich fand jedoch durch Zufall heraus, dass
die Rote Pest, wenn Vampire das Blut eines menschlichen Infizierten tranken, zu fast neunzig Prozent tödlich wurde. Allerdings verliert sie dadurch auch ihre ansteckende Wirkung.«
Ich unterbrach ihn. »Sie meinen, sie kann nicht weiter verbreitet werden?«
»Nicht durch den vampirischen Träger. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie nervenaufreibend dieser ganze Prozess war.«
Wow. Offenbar streckte sich eine göttliche Hand aus und verpasste Aidyn jedes Mal eine, wenn er in der Sache Fortschritte machte? Erst verwandelt sich seine absto ßende Krankheit in ein Plüschhäschen, wenn er versucht, sie unter den Menschen zu verbreiten. Dann hat er die wundervolle Idee, Vampire als Zugpferde einzusetzen, aber die führen sich auf wie eine Horde Zweijähriger. Nein, wir wollen nicht teilen!
Aidyn machte weiter: »Wie dem auch sei, einer von uns kannte die Geschichte eines visionären Führers namens Tequet Dirani, der beinahe die Herrschaft über diese und alle jenseitigen Welten errungen hätte, mithilfe der Tor-al-Degan. Sie wird unser Verbreitungssystem sein. Sie wird die Pest von dem infizierten Vampir annehmen und sie über die ganze Welt verbreiten.«
»Was wollen Sie mir damit sagen? Dass ich eine Verdammt-du-bist-ein-bösartiges-Genie-Glückwunschkarte an den Raptor schicken sollte?«
Bumm. Hätten wir vor einer unparteiischen Jury gestanden, wäre ich allein schon durch den Ausdruck auf ihren Gesichtern schuldig gesprochen worden. Sie erholten sich jedoch schnell - ohne irgendetwas Belastendes zu verraten. Verdammt.
Das wäre auch der perfekte Zeitpunkt für den Raptor
gewesen, persönlich vor der Kamera aufzutauchen und sich mit seinem Erfolg zu brüsten. Was er nicht tat. Svetlana hatte wohl die Wahrheit gesagt, als sie behauptet hatte, dass er ausgeflogen war, sozusagen. Wollte er sich ein Alibi zurechtlegen für die Zeit, wenn die Seuche ausbrach? »Nein, Officer, ich kann es gar nicht gewesen sein. An diesem Abend war ich beim Squash.« Viel wahrscheinlicher war, dass er noch ein anderes Machtsüppchen am Kochen hatte, um das er sich kümmern musste, bevor es anbrannte. Drecksäcke wie er blieben nie lange an einem Ort. Das war nicht profitabel.
Seit meiner Frage hatte Aidyn mich schweigend gemustert. Nun sagte er: »Sie kommen mir bekannt vor. Kenne ich Sie irgendwoher?«
Diese Frage brachte mich aus dem Gleichgewicht. Ob er mich kannte ? Ich durchlebte einen Moment der absoluten Leere, wie der Schock, den man kurz vor einem Atomschlag erfährt. In dieser weißen Stille wollte ich mich instinktiv an etwas festklammern. Meine Gefühle waren plötzlich so durcheinander, dass ich es nicht für möglich hielt, noch einen klaren Gedanken zu
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