Ein Vampir ist nicht genug - Roman
und sah, wie mein Schwertarm herabsank.
»So wird es sich anfühlen, wenn ich deine Seele verzehre«, flüsterte die Tor. »Alles in dir, was gut und glücklich ist, wird mich kräftigen und mich in diese köstliche, üppige Welt bringen, in der ihr lebt, wo ich essen werde, essen und essen …« Sie verstummte mit glasigem Blick und grinste höllisch bei der Aussicht auf so ein Mahl.
In diesem Moment erinnerte sie mich stark an einen glatzköpfigen, dicklippigen Serienmörder, den Vayl und ich erst vor kurzem erledigt hatten. Er hatte genau diesen Gesichtsausdruck gehabt, kurz bevor wir sein Gehirn an der Wand verteilt hatten. Ich hätte es gerne ein Omen genannt, aber dafür war es zu spät. Ich lachte bitter.
Sobald mein Gelächter erklang, fühlte ich mich besser, und da wusste ich, dass sie mich verzaubert hatte. Ich war so auf Cassandra und Vayl konzentriert gewesen, dass ich nicht bemerkt hatte, wie mein Magiealarm anschlug.
»Du lachst«, stellte die Tor fest. »Warum?«
»Weil es dir nicht gelingen wird, auch nur genug Freude aus meiner Seele zu quetschen, um damit eine Magersüchtige sattzukriegen.« Ich stieß das Schwert in sie
hinein, und sie schrie, so dass ihr faulig riechender Atem in meinen Nasenlöchern brannte und mich würgen ließ. Sie stolperte rückwärts, und ich zog das Schwert aus ihrem Körper. Als sie sich umdrehte, um wegzulaufen, schlug ich wieder zu, schnitt in ihren schlüpfrigen Buckel, und die Klinge drang widerstandslos ein, bis sie sich in ihre Wirbelsäule bohrte. Sie schrie wieder, doch als sie sich umdrehte, um mir über die Schulter einen Blick zuzuwerfen, grinste sie böse.
»Erwischt.« Bei diesem einen Wort kippte ihre Stimme von altem Weib zu Unterwelt. Gleichzeitig fiel das zerrissene Gewand von ihr ab. Der ganze Raum erhaschte einen alptraumhaften Blick auf eine faltige, mit Pusteln übersäte Haut, und dann brach die Hölle los.
26
W enn Dante die felsenübersäte Höhle unter dem Club Untot hätte sehen können, hätte er sie sicherlich für eine würdige Darstellung mindestens eines seiner Höllenkreise gehalten. Die von Fackeln und den brennenden Lachen auf dem Boden beleuchtete momentane Heimstatt der Tor-al-Degan stank nach brennbaren Gasen, Blut, Erbrochenem und dem wahrhaftigen Bösen. Au ßerdem hallte sie von den Stimmen ihrer Anhänger wider, die beschlossen hatten, dass es eine prima Idee wäre, sie voll und ganz in unsere Dimension zu bringen - einen großen, bösen Fleischfresser, der die gesamte Welt als sein persönliches Rotkäppchen ansah.
Die Deganiten, die bei Tageslicht sicher als aufrechte Bürger durchgingen - Banker, Versicherungsvertreter und Anwälte -, kreischten wie ein Haufen U2-Fans, als ihre Göttin begann, sich zu verwandeln. Der Rest von uns beobachtete sprachlos vor Entsetzen, wie eine gelblich rote Substanz mit der Konsistenz von Haargel aus der Wunde der Tor quoll.
Ich ließ den Schwertgriff los und wich zurück. Angst und Verwirrung zogen in die Schlacht gegen Panik und Entsetzen, um zu sehen, wer als Erstes die Kontrolle über mein Bewusstsein übernehmen würde.
Gegen alle Gesetze der Schwerkraft erhob sich der Schleim in die Luft und wuchs über den Kopf der Tor hinaus. Er breitete sich auch nach unten aus, bis sie aussah,
als wäre sie in ein riesiges Fass mit pinkfarbener Vaseline getaucht.
Oh Gott, oh Gott, oh Gott. Ich sah mich nach meinen Freunden um. Cole hielt die Menge immer noch auf Distanz, die darüber jetzt allerdings froh zu sein schien. Alles andere war von schlimm zu noch schlimmer abgesackt. Irgendwie war Aidyn Vayl lange genug entkommen, um Bergman niederzuschlagen, der nun wie ein erschöpfter Bluthund auf einem der trockenen Flecken Erde lag. Dann hatte Aidyn Cassandra gepackt, die immer noch ohnmächtig zu sein schien, und hielt sie nun vor sich wie einen Schild. Das Enkyklios lag zu ihren Füßen und spielte eine weitere Kampfszene zwischen irgendeinem toten Helden und der Tor ab. Dieser hatte kein Schwert, sondern eine mächtige Streitaxt. Wieder und wieder musste die Tor Schläge einstecken, die selbst einen wütenden Elefanten umgehauen hätten, und doch kam sie immer wieder zurück. Heilte rasch wieder.
»Gebt mir den Schlüssel!«, schrie Aidyn. »Und zwar jetzt, bevor ich eurer Seherin das Kreuz breche!«
»Ich habe ihn nicht«, sagte Vayl. »Einer von uns muss ihn während des Kampfes in eine Pfütze katapultiert haben.« Er sagte es völlig ruhig, wie ein Wetteransager, der auf die
Weitere Kostenlose Bücher