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Ein Vampir ist nicht genug - Roman

Titel: Ein Vampir ist nicht genug - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Rardin Charlotte Lungstrass
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sie davon abhalten können, der Welt an die Kehle zu gehen.
    Ich hatte einmal gedacht, ich könnte verrückt werden, und die Angst davor, den Verstand zu verlieren, mich selbst zu verlieren, hatte mich bei jedem Atemzug verfolgt, hatte alles bestimmt, was ich tat. Schlimmer als eine Kakerlakenplage, als Krebsgeschwüre, als der Verlust meiner Familie … das Gefühl hatte mich ruhelos gemacht, unfähig, Frieden zu finden. Das war nur eine Angst gewesen. Dies hier war echt.
    Mit jeder Sekunde nahm die Tor die besten - und die schlimmsten - Teile von mir in sich auf. Ich verlor mich in der schrecklichen roten Hölle ihres klaffenden Rachens. Ich wand mich. Ich kämpfte. Ich betete. Ich versuchte verzweifelt, mich loszureißen. Doch die langsame Qual meiner endgültigen Vernichtung hielt an. Und obwohl ich keine Stimme hatte, begann ich zu schreien, zu schreien, zu schreien …
    Eine Stimme erfüllte den Raum. Cassandras tiefe, weiche Töne umspülten mich wie warmes, reines Wasser. Sie war vorgetreten und stand nun neben Cole, der sich wütend an meinem langsam auskühlenden Körper zu schaffen machte. In der rechten Hand hielt sie die Pyramide, den Schlüssel. Die linke umfasste das Enkyklios , und sie sprach die Worte nach, die von der verkleinerten Vision einer Seherin erklangen, die in längst vergangenen Zeiten für eine Weile die Welt gerettet hatte.
    Die Tor brüllte auf und schüttelte den Kopf, widersetzte sich der Kraft, die plötzlich aufgetaucht war und ihre Treuepflicht forderte. Doch Cassandra gab nicht nach. Und im nächsten Moment war ich frei. Flog. Schwebte zu der regenbogenfarbenen Lebensleine und folgte ihr bis zu ihrer Spitze.

27
    W eißt du, ich dachte wirklich, ich wäre auf dem Weg in den Himmel«, sagte ich, während ich aus dem Fenster starrte. Die Skyline von Las Vegas strahlte mich an. Ich stand in einer luxuriösen Suite, definitiv Snob-Territorium, umgeben von edlen Möbeln, Satinvorhängen und so viel Marmor, dass der Raum auch als Mausoleum hätte dienen können.
    »Manche würden behaupten, du bist bereits dort«, erklärte mir mein Begleiter.
    Ich hätte ihn auf den ersten Blick als Kämpfer eingestuft, auch ohne den Bürstenhaarschnitt und die aufrechte Haltung. Ich erkannte es an den Augen, war ich doch unter Männern aufgewachsen, die den gleichen Blick hatten. Nur die Schlacht bringt ihn hervor, der offene Krieg, und der Tod von Männern, die man wie Brüder geliebt hat.
    Außerdem erkannte ich ihn von unserer letzten Begegnung wieder, als er auf dem blutverschmierten Boden eines Hauses, das man niemals hätte »sicher« nennen dürfen, meinen gebrochenen Nacken geheilt hatte.
    Der Typ, dieser Krieger, hatte gelächelt, als ich auf getaucht war, und gesagt: »Da bist du also«, als hätten wir vorher vereinbart, dass ich mitten in diesem Hotelzimmer erscheinen würde. Er hatte seinen Platz auf einem schwarzen, mit Leder überzogenen Barhocker verlassen und mir die Hand geschüttelt. »Hallo, Jasmine.
Mein Name ist Raoul.« Spanien lag in seinem dunklen Teint und in seinem Akzent, aber seine Manieren waren eindeutig US-Armee.
    »Ich bin tot, richtig?«
    Er hatte den Kopf zur Seite geneigt, als würde er einen neuen Rekruten einschätzen. »Das wird sich noch zeigen.«
    Daraufhin war ich zum Fenster gegangen, verwirrt und irgendwie deprimiert, und ziemlich sicher, dass ich in eine ewige Zwischenwelt versetzt worden war. Unter mir funkelte die Stadt der Sünde wie die Tiara einer Wüstenkönigin. Zu dumm, dass die Steine nur Fälschungen waren.
    »Ich denke, manche Leute würden gerne die Ewigkeit damit verbringen, zu zocken und zuzusehen, wie sich die Showgirls auf der Bühne räkeln«, meinte ich. Ich wandte mich vom Fenster ab und ließ mich auf eine Couch fallen, die jeden Knochen in meinem Nicht-Körper wohlig seufzen ließ. »Verdammt, für ein paar Wochen würde ich das selbst gerne machen.«
    Raoul ließ sich auf der anderen Couch nieder, die in einem fünfundvierzig Grad Winkel zu meiner stand. Plötzlich erkannte ich, dass dieser Raum genauso eingerichtet war, wie ich die Möbel in den Diamond Suites und bei Bergman aufgestellt hatte. Ja, und an diesem Ort aus längst vergangenen Zeiten, wo Aidyn mein Leben zerstört hatte.
    »War ich schon einmal hier?«, fragte ich.
    Er nickte.
    »Und David, war er auch hier?«
    »In gewisser Weise.«
    »Oh.«
    »Du solltest dich nicht daran erinnern können.«

    »Hmm.«
    »Geht es dir gut?«
    »Sollte es das?«
    Er lächelte wieder.

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