Ein Vampir ist nicht genug - Roman
Kratzer.« Sie fuhr mit den Fingernägeln über ihren milchweißen Unterarm, um es zu demonstrieren. Aus der Wunde, die sie sich zugefügt hatte, quoll ein wenig Blut. »Und das Beste daran ist, ich kann den Tod so lange hinauszögern, wie ich es möchte.« Vayl starrte auf das Blut an Lilianas Arm, während sie die Hände auseinanderzog als würde sie die Zeit dehnen. Seine Hände schlossen sich krampfhaft um den Knauf seines Stocks, als sie ihre geschlossenen Fäuste
entspannte. Stellte er sich gerade vor, wie das Herz des armen Charlie von diesen tödlichen Nägeln zerquetscht wurde? Sie trat einen Schritt näher.
»Lass dich nicht von ihr berühren, Jasmine«, befahl Vayl. »Wenn sich nur ein Tropfen ihres Blutes mit deinem vermischt, stirbst du.«
Liliana zog wieder ihre Schnute. »Nur, wenn ich es will.« Sie warf mir einen Blick zu, den ich sofort wiedererkannte. Es war Tammy Shobeson, die Fortsetzung. Fast rechnete ich damit, dass sie mich vors Schienbein treten und mich eine blöde Heulsuse nennen würde. Ihr Geruch drang wieder in meine Nase, und der Gestank nach Tod und Moder ließ mich einen Schritt zurückweichen. »Es gibt keinen Grund, sich zu fürchten, meine Liebe. Ich werde dir nicht wehtun … oder zumindest nicht sehr.« Sie warf Vayl ein verspieltes kleines Lächeln zu, doch der hatte seinen Sinn für grausamen Humor ver loren. Und anscheinend machte sie mich dafür verantwortlich. Als sie sich wieder mir zuwandte, fühlte ich mich wie diese arme Ziege, die sie in Jurassic Park benutzt hatten, um den Tyrannosaurus anzulocken. Da bemerkte sie meinen Verband. Sofort verengten sich ihre Augen. In einer schützenden Geste, die ich nicht unterdrücken konnte, hob ich die Hand an den Hals. Ihr Blick wanderte zu Cirilai.
»Vayl«, sagte sie mit hohler Stimme, die klang, als würde sie vom Boden eines Brunnens aus mit uns sprechen, »warum trägt diese« - sie zog ein Gesicht, als hätte sie eine Kakerlake gesehen - » eichfin deinen Ring? Und ihr Hals … Hast du sie etwa auch markiert?«
Dieser Ausdruck gefiel mir überhaupt nicht, »markiert«. Das klang zu sehr nach einem Hund, der an seinem Lieblingshydranten das Bein hebt.
»Sie ist meine avhar «, sagte Vayl.
Ich musste meine gesamte Selbstbeherrschung aufbringen, um mich nicht zu ihm umzudrehen und zu fragen: »Deine was?« Ich hatte das Wort noch nie zuvor gehört. Nein, warte mal. Vayl hatte es mir zugeflüstert, bevor er gestern Abend mein Zimmer verlassen hatte. Da hatte ich es nicht weiter beachtet, aber jetzt wusste ich, dass es eine schwerwiegende Bedeutung haben musste, da diese Neuigkeit für Liliana offenbar ein Schlag in die Magengrube war. Sie verfiel in wütendes Schweigen und vollführte eine abwehrende Geste mit der Hand, woraufhin sich ihre vier Handlanger zurückzogen. Auch wenn ich erleichtert war, dass sie beschlossen hatte, den Krieg zu verschieben, hatte ich so eine Ahnung, dass sie uns immer noch verletzen wollte. Und wie die meisten mörderischen Irren, folgte sie dem Schema auf den Punkt genau.
»Hat Vayl seinen Teil des Handels eingehalten?«, fragte Liliana mich mit honigsüßer Stimme. Sie hielt mein Schweigen für die von ihr gewünschte Antwort und fuhr fort: »Eine avhar trägt eine große Last und Verantwortung«, erklärte sie mir. »Deshalb erhält sie gewisse Privilegien, eines davon ist das Recht, jedes Detail über die Vergangenheit ihres sverhamin zu erfahren.«
Mein was? Ich warf einen hastigen Blick auf Vayl. Du hast mir einiges zu erklären, Freundchen.
»Liliana«, knurrte Vayl. Der Panther setzte zum Sprung an.
»Da habe ich mich natürlich gefragt, ob Vayl dir von seinen Söhnen erzählt hat - unseren Söhnen -, und wie er sie umgebracht hat …«
»Genug!« Vayls Stimme dröhnte voller Kraft. Irgendwo in der Nähe drehte wahrscheinlich gerade ein Meteorologe völlig durch, weil die Temperatur sprunghaft von
fünfzehn Grad auf null gefallen war. Ich begann zu zittern, als sich auf meinen Wimpern Reif bildete und winterkalte Luft meine Lungen füllte. Lilianas Schläger, die offenbar keine Empfindsamen waren, hielten sich wesentlich weniger gut. Sie bliesen sich in die Hände und stampften mit den Füßen, und ich hörte, wie der Tätowierte sagte: »Ich spüre meine Nase nicht mehr.«
»Ihr vier«, bellte Vayl, »ab in den Wagen!« Sie richteten sich alarmiert auf, verzogen kurz die Gesichter und stiegen dann in die Limo. »Und du«, er wandte sich an seine Ex-Frau wie ein Mungo, der eine
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