Ein Vampir zum Valentinstag (German Edition)
sie als Antwort. Mirabeau hatte, wie alle anderen Frauen der Welt auch, angefangen sich zu rasieren, als es in Mode gekommen war. Aber sie hatte schon so lange keine Lust mehr auf eine Verabredung oder etwas Ähnliches gehabt, dass sie es irgendwann einfach wieder bleiben gelassen hatte.
»Wie ist das so?«, fragte Stephanie, nachdem Mirabeau die Hose übergestreift hatte und nach dem Hemd griff.
»Was?«, entgegnete sie gedankenverloren und zog das Oberteil über.
»So alt zu sein?«
Erbost drehte sich Mirabeau nach dem Mädchen um, doch bevor sie sie anfahren konnte, fügte Stephanie schnell hinzu: »Ich wollte dich nicht beleidigen. Ich meinte nur, du weißt schon … wie ist es, so lange zu leben?«
Mirabeau zwang sich zur Ruhe und entgegnete schulterzuckend: »Keine Ahnung. Es ist eben so. Du wirst es schon noch selbst erleben.«
»Ja, in einem Jahrhundert oder so«, erwiderte Stephanie und verfolgte schweigend, wie Mirabeau zum Spiegel ging, sich mit den Fingern durchs feuchte Haar fuhr und versuchte, die wirren Strähnen zu ordnen.
Mirabeau stellte fest, dass das ohne Bürste oder Ähnliches ein hoffnungsloses Unterfangen darstellte. Missmutig betrachtete sie ihr Spiegelbild und fragte sich, ob sie die übrig gebliebenen Extensions wohl selbst entfernen könnte oder einen Friseur dafür bemühen müsste. Als ihr der Typ im Kanal eine ganze Handvoll der künstlichen Strähnen ausgerissen hatte, hatte das jedenfalls höllisch wehgetan. Wenigstens waren keine kahlen Stellen zurückgeblieben. Möglicherweise könnte sie die letzten Haarteile ja doch selbst lösen.
»Wird es jemals besser?«
»Was?«, fragte Mirabeau, die sich ganz auf ihre Frisur konzentriert hatte.
»Der Schmerz, den man spürt, weil man sie verloren hat?«, sagte Stephanie leise und Mirabeau nahm schon an, dass sie von den Extensions sprach. Dann fügte Stephanie aber hinzu: »Tiny hat mir erzählt, dass du deine Familie ebenfalls verloren hast und ich … manchmal tut es so sehr weh und man merkt dir an, dass du immer noch unter dem Verlust leidest, und ich … «
Mirabeau hörte auf, an ihren Haaren herumzuzupfen und drehte sich nach dem Mädchen um. Ihr Gesicht war von Leid verzerrt, und Mirabeau spürte Panik aufsteigen. In Gefühlsdingen war sie nicht besonders gut und mied sie normalerweise wie die Pest. Doch Stephanie ging es offensichtlich sehr schlecht, und momentan war sonst niemand da, der ihr helfen konnte. Sie schluckte schwer, ging zum Bett hinüber und setzte sich neben Stephanie auf die Bettkante, wo sie sie erst einmal anstarrte und dann widerstrebend in einer, wie sie hoffte, tröstenden Geste eine Hand auf ihr Bein legte. Schließlich räusperte sie sich und sagte: »Ja, es tut weh. Und ich spüre den Schmerz gerade wieder, weil mich deine Situation so sehr an meine eigene erinnert. Auch an Feiertagen und bei besonderen Anlässen tut es weh. Aber es wird mit der Zeit etwas einfacher, leichter zu ertragen … und du hast ja noch Dani – für Feiertage und so was.«
Stephanie schluckte und nickte andächtig. »Du hast niemanden mehr, oder?«
Mirabeau schnürte es die Kehle zu, doch sie schluckte den Kloß im Hals grimmig hinunter und versuchte, das Thema zu wechseln, indem sie fragte: »Soll ich eines von den Tattoos aufkleben?«
Stephanie zögerte und betrachtete sie schweigend. Mirabeau wusste genau, dass das kleine Gör schon wieder in ihren Gedanken herumgrub, und fragte sich, wie sie das bloß anstellte. Sie war ja erst vor Kurzem gewandelt worden, und normalerweise konnte man die Gedanken von anderen Unsterblichen noch nicht gleich lesen. Diese Fähigkeit musste man erst trainieren, und eigentlich hätte sie noch nicht in der Lage sein dürfen, in die Köpfe anderer einzudringen. Schon gar nicht bei einem so alten Wesen wie Mirabeau.
»Wirklich?«, fragte Stephanie und setzte sich gerade auf. Ein zufriedenes Grinsen umspielte ihre Mundwinkel. »Ich weiß, dass Dani bisher keine Gedanken lesen kann, aber ich dachte, das ist nur bei ihr so.«
»Nein, das ist nicht nur bei ihr so«, versicherte Mirabeau und war froh über den Themenwechsel – und auch darüber, dass die Kleine nun nicht mehr ganz so traurig aussah. Sie hatte keine Ahnung, was sie getan hätte, wenn sie losgeheult hätte. Das Mädchen freute sich unübersehbar über ihre ungewöhnlichen Fähigkeiten, und Mirabeau erklärte ihr: »Du scheinst ein ganz besonderer Fall zu sein. Du hast ein natürliches Talent zum Gedankenlesen. Das ist sehr
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