Ein verführerischer Akt
du allmählich ganz schön viel Übung.«
Er nickte, aber sein Blick schweifte umher, suchte nach Hinweisen über den Verbleib des zweiten Schurken. Vergeblich, denn mittlerweile war die Nacht angebrochen, und man konnte nicht mehr viel sehen.
»Es war dumm von mir, mich gestern Abend auf diesen Kampf einzulassen«, erklärte er. »Vermutlich ist man dadurch erst richtig auf uns aufmerksam geworden. Ich hätte mich besser beherrschen sollen.«
»Teilen wir uns die Schuld. Ich war so wild entschlossen, dir zu beweisen, dass ich auch Geld verdienen kann … Es wäre klüger gewesen, mich im Hintergrund zu halten und nicht so offen in der Schänke herumzulaufen.«
»Dann haben wir ja beide etwas aus der Sache gelernt«, meinte er. »Und was meinen Onkel angeht, weiß ich nicht recht, ob er uns nun gefangen nehmen oder töten lassen wollte.«
Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, und sie war froh, dass er sie hielt.
»Bist du dir sicher, dass es Handlanger deines Onkels waren?«
Er nickte. »Sie haben nichts gesagt, sondern gleich angegriffen.«
»Warum sollte er uns töten wollen? Er weiß schließlich nicht einmal, ob wir das Collier noch haben.«
»Vielleicht zieht er den Verlust des Diamanten dem Verlust seiner Freiheit vor, falls diese schäbige Sache an die Öffentlichkeit dringt.«
»Er hat zu viel getan, um in den Besitz dieses verfluchten Steins zu gelangen, Julian. Da wird er nicht so leicht aufgeben.« Sie griff unter ihr Kleid und zog die schwere Goldkette mit dem herzförmigen roten Diamanten hervor, der im schwachen Schein des erlöschenden Feuers funkelte. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und legte ihm die Kette um den Hals. »Du trägst sie ab sofort. Du kannst sie besser beschützen als ich.«
Seine Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. »Nach allem, was bisher geschehen ist, vertraust du mir den Diamanten jetzt an?«
Sie lächelte. »Hätte Roger gewusst, dass er gestohlen ist, wäre es sein Wunsch gewesen, ihn zurückzugeben. Ich vertraue dir, Julian.«
Er sah ihr forschend ins Gesicht, und in diesem Moment des Schweigens erkannte sie, dass ihre Worte ehrlich gemeint waren.
»Ich kümmere mich um die Leiche«, meinte er schließlich, während er die Kette unter sein Hemd schob.
»Das können wir zusammen erledigen. Ich bin nicht sonderlich erpicht darauf, alleine zu sein.«
Er nickte, und die nächste halbe Stunde sammelten sie Steine und häuften sie über dem Toten auf, um Tiere fernzuhalten. Anschließend ging Rebecca zum Fluss, um sich die Hände zu waschen. Währenddessen wurde der Feuerschein hinter ihr schwächer, und als sie sich überrascht umdrehte, sah sie, dass Julian Sand in die Flammen schüttete.
»Wir können nicht hierbleiben«, sagte er und reichte ihr ein Stück von dem gegarten Fisch. »Iss das; du wirst all deine Kraft brauchen. Wir werden mindestens eine Stunde lang marschieren müssen – ich habe Angst, dass sich der Kerl Verstärkung holt.«
Im Dunkeln unterwegs zu sein war völlig anders, als sie es sich immer vorgestellt hatte. Nämlich weder abenteuerlich noch geheimnisvoll und schon gar nicht romantisch. Eher mühsam und ein bisschen unheimlich, denn ständig stolperte sie über Wurzeln und Steine oder andere Unebenheiten im Boden. Sie hielt Julians Hand umklammert und betete darum, wenigstens der Mond möge sich öfter mal sehen lassen und sich nicht dauernd hinter dicken Wolken verstecken.
Neben einem Wall aus Steinen machten sie endlich Rast. Da sie kein Feuer entzünden durften, war sie froh über diesen Platz, denn die Mauer hielt zumindest den Wind ab. Ansonsten gab es keine Bequemlichkeiten. Das Gras war feucht, sie fror und kuschelte sich Schutz suchend an ihn, von vorne durch seine starken Arme wenigstens ein bisschen gewärmt. Wie anders hatten doch ihre Erwartungen bezüglich dieser Nacht ausgesehen: Julian in Gottes schöner Natur unter dem Sternenhimmel zu lieben, das war ihr ungeheuer romantisch vorgekommen. Jetzt konnte Rebecca nur über so viel Naivität den Kopf schütteln. Die Realität hatte sie in Gestalt zweier Meuchelmörder eingeholt.
Julian erwachte bei Tagesanbruch. Sein Körper war steif, kalt und feucht – außer an der Stelle, wo Rebecca sich an ihn kuschelte. Er stieß einen Seufzer aus und schlang seine Arme fester um sie, um gleich darauf trotz der widrigen Umstände zu registrieren, wie ihr Hinterteil sich unbewusst an ihm rieb und ihn erregte. Immerhin hatte auch er sich diese Nacht so ganz
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