Ein verführerischer Akt
verantwortlich.
Hinzu kam, dass er sich in den letzten Tagen kaum oder gar nicht um seine Geschäfte gekümmert hatte. Zwar wusste er, dass seine Unternehmungen und seine Ländereien nicht seiner ständigen Aufsicht bedurften, doch er war zu pflichtbewusst, um den Dingen so einfach ihren Lauf zu lassen. Da half es auch nichts, sich einzureden, dass es schließlich um die Wiederherstellung der Familienehre und die Rückgewinnung rechtmäßigen Eigentums ging und nicht nur um eine dumme Wette.
Nein, wenn er ehrlich zu sich war, lag es an Rebecca Leland, dass er sich nicht so recht auf seine Geschäfte konzentrieren konnte. So auch jetzt. Von dem Augenblick an, da sie eintraf, nahm sie seine Gedanken gefangen. Sie stand im Vestibül und unterhielt sich angeregt mit der Gastgeberin, während Susanna sich sogleich der Gruppe um die Staffelei anschloss.
Julian ließ Rebecca nicht aus den Augen und verwarf seinen ursprünglichen Plan, Susanna einer Befragung zu unterziehen. Waren es Rebeccas Funken sprühende Augen, die Wortduelle mit ihr, was ihn so fesselte und gleichzeitig provozierte? Eigentlich wusste er, dass er sie nicht verärgern durfte, wenn er das Geheimnis des geraubten Diamanten lüften wollte.
Dann fiel ihr Blick auf ihn, und die Zeit blieb stehen. Sie warf ihm ein aufforderndes Lächeln zu, und er erwiderte es mit einem Nicken. Ihr dunkles Haar schimmerte im nachmittäglichen Licht, und ihr gelbes Kleid strahlte hell wie die Sonne. Wann war ihm zuvor je ein Kleid aufgefallen, außer er beabsichtigte, es einer Frau vom Leibe zu streifen?
Das allerdings pflegte er normalerweise nicht bei einer jungen, unverheirateten Lady der feinen Gesellschaft zu tun, aber genau danach stand ihm jetzt der Sinn. Er malte sich aus, ihren herrlichen Körper auf sein großes Bett zu legen und sie …
Und dann wurde er aus seinen Tagträumen gerissen, weil sie unvermittelt direkt auf ihn zukam. Er gab sich einen Ruck, um sein inneres Gleichgewicht wiederzufinden, das von ihr gewaltig durcheinandergebracht wurde. Mehr als jede andere Frau zuvor. Ihr Jasminduft hüllte ihn ein, als sie vor ihm stehen blieb. Er zwinkerte ihr zu.
Sie lächelte. »Lord Parkhurst, wie ungewöhnlich, Sie bei einem Empfang zu treffen, der den schönen Künsten gewidmet ist.«
Er lehnte sich mit einer Schulter an die Wand. »Ich mag die schönen Künste.«
Sie verzog spöttisch den Mund, sagte dann aber nur: »Meine Schwester ist bei uns die Kunstbegeisterte und selbst eine hervorragende Künstlerin.«
»Stehen Bilder von ihr zum Verkauf? Sie würde sich bestimmt gern mit mir unterhalten, wenn ich ein paar kaufe.«
Rebecca schnalzte missbilligend mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Mit Bestechung kommen Sie bei ihr nicht weiter, Mylord. Sie verschenkt ihre Kunstwerke und hilft ansonsten unserem Vater.«
»Ihr Vater ist Professor …«, meinte er leicht irritiert.
Sie wandte den Blick ab, und er merkte, dass sie es bedauerte, ihn so großmütig mit Informationen versorgt zu haben.
Dann holte sie tief Luft. »Er unterrichtet und forscht auf dem Gebiet der Anatomie.«
»Macht sie für ihn Notizen? Oder überträgt sie seine Aufzeichnungen ins Reine?«
Rebecca legte den Kopf leicht zur Seite, sodass sie einander in die Augen sehen konnten. »Sie fertigt Skizzen für ihn an.«
»Was skizziert sie denn? Oh …«, unterbrach er sich selbst, als er plötzlich mit erwachendem Interesse verstand. »Sie skizziert seine Arbeit, wenn er Leichen seziert?«
Sie nickte. »Es wissen nur wenige davon, Mylord. Und ich erzähle es Ihnen auch nur, damit Sie dieses Thema nicht bei ihr anschneiden. Es ist deshalb eine heikle Sache, weil unserer Mutter diese Tätigkeit peinlich ist. Einmal findet sie, dass es sich für eine junge Dame nicht schickt, mit Toten umzugehen – und vor allem findet sie es völlig unpassend, dass sie nackte Körper zu Gesicht bekommt. Das sei nichts für eine anständige junge Lady, findet sie … Diese brutale, schonungslose …«
»Nacktheit?«, fiel er ihr ins Wort, während sein Blick gemächlich über ihren Körper glitt. Er genoss es immer, wenn sie errötete, und auch diesmal enttäuschte sie ihn nicht. Natürlich verweilte er mit seinen Gedanken nicht bei dem Gemälde, denn dann würde seine Hose innerhalb kürzester Zeit zu eng sein. Obwohl er mit diesem Problem ohnehin in ihrer Gegenwart ständig zu kämpfen hatte … Manchmal kam er sich vor wie ein pubertierender Schuljunge.
»Nicht so wie das Gemälde im Club«,
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