Ein verführerischer Akt
Earl verband, als ihr plötzlich klarwurde, dass sie es beeinflussen konnte, was die Leute über sie dachten. Bestimmt fragten sich die Seymours längst, warum sie überhaupt in diesem Zug saß. Und alleine dazu. Sie witterte eine günstige Gelegenheit, Julian – obgleich der eigentlich nichts für ihre Misere konnte – eins auszuwischen.
Rebecca lächelte die Frau an. »Wir kennen uns, Madam. Aber … wir haben gerade Schwierigkeiten, miteinander zu reden. Er ist immer noch wütend, weil ich seinen Antrag abgelehnt habe.«
Mrs Seymour stockte der Atem. »Wie kommen Sie dazu, einen Earl abzuweisen?«
Rebecca bemerkte, dass Julians Körperhaltung gar nicht mehr entspannt wirkte. Hatte er vielleicht überhaupt nicht richtig geschlafen, sondern nur ein bisschen gedöst? So etwas würde er nur machen, um sie zu ärgern, dachte sie ungerechterweise. Nun, das war ihm gelungen.
Rebecca senkte die Stimme, obwohl sie sich sicher war, dass er ihr Flüstern hören würde. »Er gehört nicht gerade zur romantischen Sorte, Madam. Eine Frau braucht Blumen und möchte hofiert werden. Er scheint zu denken, dass er mich nur mit seinem Reichtum dazu bringen kann, ihn anzuflehen, mich zu heiraten.«
In Mrs Seymours Stimme schwang leise Skepsis mit. »Dann sind Sie ehrenwerter als die meisten Frauen. Übrigens hat man gar nicht den Eindruck, dass Sie gemeinsam reisen«, fügte sie noch hinzu.
»Das tun wir auch nicht. Aber ich glaube, er hat sein falsches Vorgehen erkannt und will mich jetzt verfolgen.«
»Man sollte doch meinen, dass er sich ein bisschen mehr Mühe gibt. Nicht einmal unterhalten hat er sich mit Ihnen.«
Rebecca stieß einen Seufzer aus. »Verstehen Sie jetzt, was ich meine? Er ist ziemlich begriffsstutzig.«
Soeben ruckelte der Zug über ein unebenes Gleisstück, was Julian Gelegenheit gab, so zu tun, als sei er dadurch wach geworden. Er lächelte sie an. »Habe ich etwa geschlafen? Ich hoffe nur, mich dabei nicht blamiert zu haben.«
»Sie haben ganz fürchterlich geschnarcht«, erklärte Rebecca zuckersüß. »Ich würde es nie über mich bringen, einen Mann zu heiraten, der solche Geräusche von sich gibt.«
Mr und Mrs Seymours Blicke gingen entsetzt zwischen den beiden hin und her, schockiert darüber, wie man sich solche Worte einem leibhaftigen Earl gegenüber herausnehmen konnte.
Doch dann beugte Julian sich zu ihrem Erstaunen vor und ergriff flehentlich ihre Hände. »Liebste, wie können Sie mich so quälen, obwohl Sie wissen, was ich für Sie empfinde?«
Er ging also auf ihr Spiel ein, konstatierte sie zufrieden. Warm lagen seine Hände auf ihren. So groß und stark, so beschützend. Jetzt, wo sie nicht mehr in London waren, konnte er mit ihr machen, was er wollte. Seltsam, dass sie nicht daran gedacht hatte, als sie ihm absichtsvoll ihre Reisepläne verriet.
Es war ohnehin alles anders gekommen, denn jetzt brauchte sie ihn, um zwei anderen Männern zu entwischen, die mit Sicherheit bedrohlicher waren als er.
»Ich bitte Sie, Lord Parkhurst, jetzt blamieren Sie sich schon wieder«, erklärte sie kühl.
Das kleine Mädchen war aufgewacht und nuckelte zufrieden an seinem Daumen, während es die beiden vom Schoß der Mutter aus beobachtete.
»Nichts kann mich in Verlegenheit bringen, Liebste, wenn unsere Zukunft auf dem Spiel steht.« Er warf den Seymours einen entschuldigenden Blick zu. »Aber wir sollten besser nicht jetzt darüber reden.«
»Warum nicht? Vielleicht kann ein erfahrenes Ehepaar uns einen Rat geben«, meinte sie, und ihre Lider mit den langen Wimpern flatterten unschuldig. Das war eindeutig eine bessere Ablenkung, als ständig an die beiden Schurken zu denken. Nein, dieses Theater hier amüsierte sie wirklich köstlich.
Julian hingegen schien die Lust an der Scharade verloren zu haben. Er drückte noch einmal ihre Hände und lehnte sich wieder zurück. »Nein, meine Liebe, ich werde die Gelegenheit bekommen, meine Sache zu vertreten, sobald wir angekommen sind.«
»Das ist wahre Romantik«, erklärte Mrs Seymour schüchtern.
Parkhurst bedachte sie mit seinem strahlendsten Lächeln, sodass die arme Frau von den Haarwurzeln bis zum Halsansatz errötete.
Rebecca seufzte, und die nächste halbe Stunde musste sie es erdulden, dass er mit seinen Füßen ständig Annäherungsversuche unternahm, die den Mitreisenden nicht verborgen blieben. Sie boten den Seymours wirklich eine köstliche Unterhaltung.
Der Zug wurde langsamer, als sie sich Coventry näherten, das nur ein paar
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