Ein verfuehrerischer Handel
Freundschaft beginnen wollen, dann müssen wir mit der Wahrheit anfangen. Ich habe mich mit Phillip Marlin getroffen.« Er erstarrte. »Meiner Meinung nach hat er eine Erklärung verdient - nach den Geschehnissen gestern ... und auch eine zu meiner Vergangenheit.«
Vor Wut biss er die Zähne zusammen, obwohl er nicht anders konnte, als ihre Offenheit zu bewundern. Vormals hatte er an ihre Ehrlichkeit geglaubt. Und das wollte er wieder tun. »Und was fiel Mr. Marlin dazu ein?«
Ein Ausdruck der Unsicherheit huschte über ihre Züge; in diesem Augenblick wusste er, dass Marlin ihr die schreckliche Wahrheit seiner Geburt enthüllt hatte.
»Er hat gesagt ... er hat gesagt, dass er Euch aus Oxford kennt.«
»Und außerdem, dass ich ein Bastard bin!«
Ihre Augen flogen zu seinem Gesicht. Er fragte sich, ob etwas in seiner Stimme verraten hatte, wie sehr dieser Umstand ihn schmerzte.
»Phillip hat mir eine ganze Menge Dinge mitgeteilt. Vielleicht hätte er das besser nicht tun sollen, aber ich habe ihm keine andere Wahl gelassen.«
»Warum nicht?«
»Was immer auch die Zukunft bringen mag, ich würde gern erfahren, was für ein Mann Ihr seid - der Mann, der mir geholfen hat, zu der Frau zu werden, die ich jetzt bin.«
»Und ich nehme an, dass Ihr mit Marlins Hilfe das inzwischen wisst.«
»Ich glaube, dass Eure Vergangenheit genauso voller Kummer war wie die meine. Denkt Ihr denn, ich bin stolz darauf, die Tochter eines Säufers zu sein? Eines Mannes, der mich immer geschlagen hat, wenn er den leisesten Drang danach verspürte und der deswegen keinerlei Reue zeigte? Meint Ihr, es hat mir gefallen, Phillip darüber aufzuklären, dass ich ein Bauernmädchen war, das nicht lesen und schreiben konnte, bis Euer Vater und Ihr mich auf eine Schule geschickt habt?«
Es lag so viel Schmerz in ihrem Gesichtsausdruck, dass Justin förmlich mitlitt. Sein Blick ging zum Fenster. Draußen war der Himmel grau und bedeckt, eine schwache Sonne versteckte sich hinter einer Mauer aus Wolken. »Vielleicht ähnelt sich unsere Herkunft in gewisser Weise.«
»Ja ... das tut sie. Eure Mutter hat Euch im Stich gelassen. Meine ist so früh gestorben, dass ich mich kaum mehr an sie erinnern kann. Euer Vater war auf seine Art genauso grausam wie der meine. Wenn eine unangenehme Vergangenheit die Grundlage unserer Freundschaft bildet, dann ist es immerhin mehr, worauf die meisten menschlichen Beziehungen basieren.«
Er verließ das Fenster, um sich Ariel zu nähern. Ein so hübsches Gesicht, so voller Unschuld. Oder war das alles nur Fassade?
Justin streckte die Hand aus und griff nach ihrem Kinn. »Ihr dürft Marlin nicht Wiedersehen. Wenn es um Frauen geht, ist er ein sehr gefährlicher Mann.«
»Genau das Gleiche hat er auch von Euch behauptet.«
Und nach seinem gestrigen Verhalten wollte sie Marlin gern glauben.
»Phillip hat mir von einer Frau erzählt, mit der Ihr Euch gezankt habt«, sprach sie weiter. »Es war ein Mädchen aus einem Gasthaus, Molly McCarthy. Er sagte, Ihr hättet sie geschlagen.«
Erstaunt blickte er auf. »Aber das war Marlin! Er hätte sie umgebracht, wenn ich nicht gerade zum richtigen Zeitpunkt dazwischengetreten wäre.«
Sie reagierte nicht auf sein Leugnen. »Und was ist mit gestern? Oben in Eurem Zimmer ... wenn ich nicht genau das getan hätte, was Ihr mir befohlen habt, was ... was hättet Ihr dann gemacht?«
Ein Muskel in seiner Wange zuckte. »Ich schlage keine wehrlosen Frauen - wenn es das ist, was Ihr wissen wollt.«
Ihr Blick wankte nicht, und seine Hochachtung vor ihrem Mut wuchs. »Wenn Ihr mir nicht geglaubt hättet, dass ich noch Jungfrau bin - hättet Ihr Euch dann mit Gewalt das genommen, was Ihr haben wolltet?«
Traute sie ihm so etwas zu? Als er sie beobachtete, wie sie sich auszog, als er ihren wunderschönen, schlanken Körper erblickte, hatte er mehr nach ihr verlangt als nach jeder anderen Frau, an die er sich erinnern konnte. Hätte er sie vergewaltigt? Hätte er sie auf das Bett geworfen und wäre wild in sie eingedrungen? Er schloss die Augen bei dem brutalen Bild, das vor seinem inneren Auge erstand, dann schüttelte er den Kopf.
»Niemals hätte ich Euch gezwungen.« Als er sie ansah, stellte er fest, dass sie ihn musterte. Sie glaubte nicht, dass er über Marlin die Wahrheit gesagt hatte; aber bei der beinahe unmerklichen Entspannung ihrer Schultern konnte er den Moment erahnen, in dem sie begriff, in seiner Gegenwart sicher zu sein.
»Dann gibt es doch Hoffnung für uns,
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