Ein verfuehrerischer Handel
Kleider voller Schmutz und Stroh, ihr Haar offen und zerzaust. Zweifellos hatte sie mit Marlin ein Stelldichein gehabt, und die Qual in seinem Inneren drohte ihn zu verschlingen. Es tat so weh, dass er sich elend und krank fühlte, und nur noch sterben wollte.
Justin hatte nicht geglaubt, dass er fähig wäre, so heftig und unerträglich zu leiden. Das war Ariel zuzuschreiben: Sie hatte den Schutzwall durchbrochen, den er so sorgfältig um sich herum aufgerichtet hatte, und hatte ihn verletzlich, zerbrochen und blutend, ohne die Schale des harten, vollkommen beherrschten Mannes zurückgelassen, der er zuvor einmal gewesen war.
Dafür hasste er sie. Er hasste sie sogar noch mehr dafür, dass er nun ihretwegen das Gefühl hatte, schwach zu sein, als dafür, weil sie ihn mit Marlin betrogen hatte. Hölzern bewegte er sich in dem dunklen Zimmer auf und ab, geführt nur von den schwachen Strahlen des Mondlichts, das durch die Fenster fiel. Erschöpft sank er auf den Stuhl vor dem Kamin und starrte auf die nicht angezündeten Scheite; dabei schüttelte er sich vor Kälte, die ihn einhüllte.
In seiner Brust schlug sein Herz dumpf, ein toter, erstarrter Klumpen - der eigentlich hätte taub sein müssen, sich jedoch mit einem pulsierenden Schmerz meldete. Was war da eigentlich geschehen? Wie hatte er zulassen können, dass er so vollkommen hinters Licht geführt wurde?
Ariel. Allein der Klang ihres Namens, der aus den Windungen seines Gedächtnisses stieg, war wie eine offene Wunde in ihm. Mit ihrem falschen Strahlen und ihrer heuchlerischen Wärme hatte sie den eisigen Schild geschmolzen, der sein zuverlässiger Schutz gewesen war. Sie hatte ihn verzaubert, ihn dann betrogen, und zuletzt praktisch entmannt.
Der Graf starrte in die kalte Asche des Kamins und dachte, dass dies die Jahre seines Lebens widerspiegelte. Kalt und verbraucht, mit achtundzwanzig Jahren im Besitz eines erstarrten Herzens und einer eisigen Seele.
Diese Bilanz entlockte seiner Kehle ein hartes Lachen. Mit zittriger Hand fuhr er sich über das Gesicht und stellte überrascht fest, dass die Tränen aus seinen Augen, während sie über seine Wangen rannen, nicht zu Eis erstarrten.
Spät am nächsten Morgen ließ Justin Ariel zu sich rufen. Er hatte nicht eine Sekunde geschlafen; auch wenn nun der Spiegel ihm zeigte, dass seine Augen eingesunken und trübe blickten, zeigte sein Gesicht keinerlei Regung. Das ließ er nicht zu. Nicht heute. Und überhaupt niemals mehr.
Während er in seinem Arbeitszimmer auf sie wartete, zupfte er sich ein Stäubchen von seinem makellosen schwarzen Rock und rückte die Manschetten seines weißen Baumwollhemdes zurecht. An diesem Morgen hatte er sich mit aller Sorgfalt gekleidet, eine unauffällige Garderobe gewählt, die vielleicht ein Zeichen für das Ende dieser ganz besonderen Phase seines Lebens war.
Ariel klopfte nur kurz, dann trat sie ein und schloss die Tür hinter sich. Sie schenkte ihm ein sanftes Lächeln zur Begrüßung, obwohl ein Hauch von Unsicherheit auf ihren Zü-gen lag. Er war in der letzten Nacht nicht zu ihr gekommen. Wahrscheinlich fragte sie sich nach dem Grund dafür.
»Guten Morgen, Mylord.«
»Guten Morgen, Ariel. Ich hoffe, du hast gut geschlafen.«
Ihre Wangen röteten sich ein wenig. »Nicht so gut wie sonst.«
Die Anspielung auf seine Abwesenheit hätte ihm noch vorgestern Freude gemacht. Jetzt bewirkte sie nur, dass sich die Muskeln seines Kinns anspannten.
»Ich habe dich vermisst, Mylord. Ich dachte ... hatte gehofft, du würdest zu mir kommen, als du heimkehrtest.«
Wie machte sie das nur? Wie war es möglich, dass sie manchmal eine so schlechte Lügnerin war und zu anderen Zeiten diese Aufgabe meisterhaft löste?
»Unsere Besprechung hat lange gedauert. Und danach waren Clayton und ich ... abgelenkt.«
Ihr hübsches Gesicht verzog sich ein wenig. »Oh!« Sie trug ein Kleid aus weicher gelber Wolle, ihr silberblondes Haar hatte sie an den Seiten mit den Perlmuttkämmen zurückgesteckt, die aus Tunbridge Wells stammten.
Himmel, war sie bezaubernd! Sie besaß die glatteste Haut und die blauesten Augen, die er je gesehen hatte. Erstaunlich, dass er immer noch nach ihr verlangte, obwohl er sie doch so sehr verachtete. Sein Unterleib zog sich bei ihrem Anblick zusammen, sein Glied wurde hart. Ihm war der Gedanke gar nicht gekommen, sie noch einmal zu besitzen, ehe er sie wegschickte - aber warum nicht? Er und Marlin hatten sich auch schon zuvor eine Frau geteilt. Irgendwie
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