Ein verfuehrerischer Handel
lachen - oder weinen. Stattdessen hob sie das Kinn und zwang sich, ihn anzusehen. »Ich bin hier, weil ich hier arbeite ... und trage Dienstbotenkleidung, weil ich genau das bin!«
Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich. »Und was ist mit Marlin? Ich hatte angenommen ...«
»Du hast was angenommen?« Sie konnte den Zorn in ihrer Stimme nicht unterdrücken, versuchte es nicht einmal. »Bitte, Eure Lordschaft, erklärt es mir! Ich würde wirklich gern wissen, was Ihr angenommen habt.«
»Lass uns keine Spielchen treiben, Ariel! Ich habe dich zusammen mit Marlin gesehen. An dem Abend, als du ihn im Stall trafst ... vom Fenster aus habe ich dich beobachtet ...«
Einen Moment lang fiel es ihr schwer zu begreifen, was er ihr da eröffnete. Sie hatte die Gedanken an ihn so tief in ihrem Inneren vergraben, dass es einen Augenblick dauerte, sich an jene Szene zu erinnern. Auf einmal begriff sie, dass er geglaubt hatte, sie hätte ein Stelldichein mit Marlin, und ihr Hals wurde ganz eng. Hysterisches Lachen wollte ihrem Mund entweichen, doch sie unterdrückte es. Der Zorn, den sie fühlte, gewann die Oberhand.
»Du hast uns also an diesem Abend gesehen? Hast du das wirklich? Du meinst, du hast uns beide in den Stall gehen sehen - das ist es doch, was du sagen willst. Zu schade, dass du nicht auch durch die Wände des Stalles blicken konntest. Zu schade, dass du nicht mitbekommen hast, was in dem Stall geschehen ist. Denn wenn das so gewesen wäre, dann hättest du vielleicht auch gesehen, dass ich ihm gesagt habe, er solle mich in Ruhe lassen. Du wärst Zeuge geworden, wie er deshalb in Rage geriet. So wütend, dass er versuchte, mir die Kleider vom Leib zu reißen. So wütend, dass er versucht hat, mich zu« - sie schluckte, weil ein dicker Kloß in ihrem Hals saß - »sich mir aufzuzwingen. Wenn Mr. McCullough nicht rechtzeitig eingeschritten wäre, dein Stallknecht, dann hätte er das vielleicht sogar geschafft. Und jetzt - wenn du mich entschuldigen würdest -, ich muss ins Haus zurück! Ich habe zu tun.«
Sie wollte sich an ihm vorbeischlängeln, doch Justin trat ihr in den Weg. »Du lügst.«
Sie hob das Kinn. Tränen des Zorns brannten in ihren Augen. »Wirklich? Du bist der Lügner, Justin. Alles, was du getan hat, alles, was du je in die Hand genommen hast, war eine Lüge. Ich bin froh über deinen Rauswurf. Gott allein weiß, wie viele deiner Lügen ich sonst noch geglaubt hätte.« Abrupt wandte sie sich ab, blinzelte die Tränen weg, die ihr den Blick verschleierten, rannte zurück ins Haus und die Dienstbotentreppe hinauf.
Auf einem Absatz hielt sie inne und lauschte, ob Greville zu der Abendgesellschaft zurückkehrte. Doch sie hörte nichts. Anscheinend hatte der Graf kehrtgemacht, vor Lord Horwicks Begrüßung; doch sie vergewisserte sich nicht, wie es weiterging.
Sie wollte nicht an ihn denken. Nicht jetzt und auch sonst nie wieder.
Es kümmerte sie nicht, wie er ausgesehen hatte im Mondlicht vor ihr - so groß und unerträglich schön. Auch die plötzliche Blässe seines sonst so gesunden Teints, als sie ihm die Ereignisse jener Nacht in dem Stall schilderte, war ihr gleichgültig.
Die Kutsche donnerte den Weg hinterm Haus in einem Wirbel von Staub und trockenem Laub entlang, und Justin sprang hinaus, noch ehe sie richtig angehalten hatte. Obwohl es schon spät war, stürmte er direkt in den Stall.
»Wo ist McCullough?« Er weckte einen der Pferdeknechte auf seinem Lager und wartete ungeduldig, als der Junge namens Mickey nervös zu stottern begann, angesichts seines zähnefletschenden Arbeitgebers.
»Er ist ... er ist ...« Mickey schluckte. »Ich glaube, er ist oben in seinem Zimmer.« Justin stampfte auf die Treppe zu, als er die Stimme des Schotten hörte.
»Ich bin hier, Mylord!« Der kräftige Mann kam aus einer von einer Laterne erhellten Box und wischte sich die Hände an einem Lappen ab, mit dem er gerade den Sattel eingeölt hatte.
Justin sah sich um, er entdeckte einige der Stalljungen, die über die Verschläge spähten. »Ich muss mit Euch reden ... allein.«
Der Schotte deutete mit dem Kinn auf die Treppe. »Wir können hinaufgehen.«
Justin nickte. »Gut!« Sie erklommen die schmalen Stufen, und sobald McCullough die Tür seiner Kammer hinter sich geschlossen hatte, wandte sich Justin zu ihm um. »Ich will wissen, was in der Nacht geschehen ist, als Miss Summers hier mit Phillip Marlin zusammentraf.«
Plötzlich sah der Stallmeister sehr vorsichtig aus. »Mir wäre lieber,
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