Ein verführerischer Pakt
sich hinter Beau in den Sattel und hielt ihn ganz fest an sich gedrückt. Unter seiner Handfläche spürte er den rasenden Herzschlag des Jungen. Ein heftiger Beschützerinstinkt erwachte in ihm. Das war Lilys Sohn, ein wehrloses Kind. Guys größte Verantwortung. "Deiner Mama geht es gut, du wirst sehen."
Der Kleine nickte, aber Guy hörte ihn trotzdem leise aufschluchzen.
Innerlich fluchend trieb er sein Pferd zum Galopp an.
Wie sich herausstellte, ergab sich für Lily bei ihrer Rückkehr gar keine Gelegenheit, Guy zu tadeln. Für den Rest des Tages folgte Beau ihr wie ein Schatten. Guy hatte ihr nur eine stark verkürzte Version des Vorgefallenen geschildert.
Lily wirkte besorgt, ließ sich aber vor ihrem Sohn nichts davon anmerken, sondern versuchte ihn mit Plaudereien über ganz alltägliche, oberflächliche Dinge aufzuheitern. Nach einem frühen Abendessen entschuldigte sie sich, um das Kind zu Bett zu bringen. Als sie nach über einer Stunde noch nicht zurückgekommen war, beschloss Guy, selber nach den beiden zu sehen.
Lily kam gerade aus Beaus Zimmer. Sie packte ihren Mann am Arm und zog ihn mit sich den Flur entlang in einen Raum direkt neben ihrem. "Und nun sag mir, was wirklich passiert ist", forderte sie ihn auf, nachdem sie die Tür geschlossen hatte.
Guy rieb sich betreten die Augenwinkel. "Er hat einen heftigen Anfall meines Vaters miterlebt. Das erinnerte ihn an damals, als …" Konnte er es wagen, das Picknick zu erwähnen, von dem Beau ihm berichtet hatte?
"Woran?" beharrte sie. Lily sah ihn aufgebracht an, und er fand, dass sie jedes Recht dazu hatte.
Er ließ die Finger von seinen Augen und beobachtete sie aufmerksam, als er antwortete: "Offenbar entdeckte er einige Parallelen zwischen dem Verhalten des Earls heute und deinem an dem Tag des Picknicks mit den Bradshaws."
Sie runzelte sichtlich verwirrt die Stirn. "Was für ein Picknick? Ach, du meinst den Tag, an dem ich ohnmächtig wurde?"
Das würde wohl heikler werden, als er gedacht hatte. "Ich fürchte, Beaus Schilderung des Vorfalls war etwas dramatischer als deine."
Sie riss fassungslos die Augen auf und schluckte krampfhaft. "Sag es mir. Was hat er dir erzählt? Was hat er gesehen?"
Guy hätte sie am liebsten in seine Arme geschlossen und sie gebeten, das Ganze einfach zu vergessen. Er wünschte fast, er hätte nie davon angefangen, aber das würde weder ihr noch ihrem Sohn weiterhelfen. Diese Sache musste unbedingt aufgeklärt werden. "Du hattest an jenem Tag einen hysterischen Anfall, Lily. Beau sagte, Clive hätte dich mit Gewalt festhalten müssen. Dann haben sie dich nach Hause gebracht. Kannst du dich denn an gar nichts mehr erinnern?"
Noch während er sprach, schüttelte sie bereits den Kopf. "Nein! Nein! Ich weiß nur noch, dass ich ins Gras gefallen bin. Als ich wieder zu mir kam, lag ich in meinem Bett. Eine harmlose Ohnmacht. Dachte ich."
Sie fing an, im Zimmer hin und her zu gehen, mit den Händen zerknüllte sie ihr Taschentuch. Guy hatte Angst, einen neuerlichen Anfall heraufzubeschwören, wenn es ihm nicht gelang, sie zu beruhigen.
Er hielt sie fest und zog sie ganz nah zu sich heran, so wie er das schon im Moment seiner Rückkehr aus Edgefield hatte tun wollen. "Wir werden das in Ordnung bringen, Lily. Deswegen bin ich ja hier."
Sie stieß ihn zurück und sah ihn stirnrunzelnd an, ihr hübsches Gesicht spiegelte Angst und Zorn wider. "Ich bin nicht verrückt. Ich weiß, dass ich das nicht bin!"
"Natürlich nicht", beschwichtigte er und zwang sich zu einem Lächeln, als er ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr schob. Sie wehrte seine Hand ab und kehrte ihm den Rücken zu.
Das Herz wurde ihm bleischwer. Musste er nach all den Jahren, in denen er den fortschreitenden Verfall seines Vaters mitverfolgt hatte, nun auch noch erleben, wie seine Frau das gleiche Schicksal erlitt? Nein, das würde er nicht zulassen. Es musste etwas geben, was er tun konnte.
"Ich schlafe heute Nacht in Beaus Zimmer", verkündete sie. "Dann kann ich ihn beruhigen, falls er aufwacht." Sie sah ihn über die Schulter hinweg herausfordernd an, als erwartete sie seinen Widerspruch.
"Eine ausgezeichnete Idee", stimmte Guy zu. Was hätte er auch anderes sagen sollen, ohne sich wie ein forderndes Ungeheuer anzuhören? So sehr er sich danach sehnte, sie die ganze Nacht hindurch einfach nur tröstend im Arm zu halten – sie würde ihm bestimmt nicht abnehmen, dass er dabei keine Hintergedanken hatte. Vielleicht hätte sie damit ja auch
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