Ein verführerischer Schuft
Fluch, machte auf dem Absatz kehrt und ging zur Tür.
»Tony?«
Er hörte ihr Flüstern, antwortete aber nicht. Als er hinter sich schaute, kurz bevor er die Treppe hinablief, sah er, wie sie den Gürtel des Morgenrockes zuband, während sie ihm barfuß folgte und dabei praktisch so leise war wie er.
Als er vor dem Salon ankam, öffnete er die Tür. Das Feuer im Kamin glomm noch. Er nahm einen dreiarmigen Kerzenleuchter und zündete an der Glut die Kerzen an, dann richtete er sich auf und stellte den Leuchter auf den Tisch neben der Chaiselongue.
Alicia schloss lautlos die Tür. Ihre Augen waren riesig.
»Was ist los?«
Langsam drehte er sich um und betrachtete dabei alles gründlich, die Fensterbank unter dem Bogenfenster, die Bücherregale neben dem Kamin und die Ecke des Zimmers, das Schreibpult an der Wand, ein hoher Tisch mit zwei Schubladen.
»Wie lange war er hier drinnen - hast du irgendeine Ahnung?«
Sie zog ihren Morgenrock enger um sich und überlegte.
»Es könnte eine halbe Stunde gewesen sein. Vermutlich nicht mehr.«
Er winkte zu dem Lehnstuhl vor dem Feuer.
»Setz dich. Das hier dauert vielleicht eine Weile.«
Sie ließ sich auf dem Stuhl nieder, zog die Beine an und schaute zu, wie er das Zimmer durchsuchte. Er war gründlich, sehr gründlich. Er sah an Stellen nach, an die sie nie gedacht hätte - wie die Unterseiten der Schubladen des Tischchens an der Wand. Dort fand er nichts, daher ging er weiter zum Schreibpult.
»Gibt es hier ein Geheimfach?«
»Nein.«
Er überprüfte jede nur mögliche Nische, jede Ritze und jeden Spalt, dann ging er weiter zu den Bücherregalen. Sie unterdrückte einen Schauder. Barfuß auf den kalten Holzdielen hockte er davor; sein Hemd stand offen, aber er schien von der Kälte nichts zu spüren. Er fuhr mit seinen Händen über die Buchrücken, dann begann er die einzelnen Bücher herauszuziehen und fasste auch dahinter.
Tony hatte keine Ahnung, was er eigentlich suchte, aber seine Instinkte verrieten ihm, dass er etwas finden würde. Er zog einen schmalen Band heraus; sein Blick fiel auf den Titel. » Etikette für junge Damen der guten Gesellschaft.« Er hob kurz die Brauen, dann stellte er es zurück und zog ein paar andere heraus. Sie beschäftigten sich alle mit ähnlichen Themen; eindeutig hatten Adriana und Alicia das Thema gründlich recherchiert, ehe sie ihren Plan in die Tat umzusetzen begannen.
Immer darauf achtend, keinen Teil der Regale auszulassen, arbeitete er sich stetig vor.
Das, was er suchte, fand er schließlich hinter ein paar Büchern auf dem untersten Regalbrett, unweit der Zimmerecke. Mehrere Papiere waren hinter die Bücher gestopft worden; er zog sie heraus und drehte sich zu Alicia um. Ein Blick auf ihr Gesicht, in ihre Augen verriet ihm, dass sie nicht ihr gehörten.
»Was ist das?«
Er stand auf und trat näher zu dem Kerzenleuchter, sah die Blätter rasch durch.
»Alte Briefe.« Er strich sie glatt, legte sie auf den Tisch.
»Fünf Stück.« Er ließ sich auf der Chaiselongue nieder und nahm einen.
Alicia kam vom Lehnstuhl zu ihm und setzte sich dicht neben ihn, griff ebenfalls nach einem Blatt, aber er kam ihr zuvor und reichte ihr den Brief weiter, den er sich gerade angeschaut hatte; sie nahm ihn, und er griff sich den nächsten auf dem Stapel.
Als er das fünfte Blatt wieder hinlegte, war sie immer noch mit dem Entziffern des zweiten beschäftigt. Die Briefe waren auf Französisch geschrieben.
Einen langen Augenblick saß er einfach da, die Ellbogen auf den Oberschenkeln und starrte quer durch den Raum, dann lehnte er sich zurück und zog sie in seine Arme, ohne auf die Briefe Rücksicht zu nehmen, die sie gerade las.
Sie erschauerte und sah ihn an.
»Ich habe nur einen ganz gelesen. Sind sie alle ähnlich?«
Er nickte.
»Alle an A.C. von französischen Kapitänen, die bestätigen, dass Schiffe aufgrund gelieferter Informationen gekapert worden sind.« Drei der Briefe waren sogar von Kapitänen der französischen Marine - zwei der Namen kannte er persönlich. Er konnte auch aufgrund seines eigenen Wissens die beiden anderen identifizieren, beides französische Freibeuter.
Die Briefe waren in höchstem Maße belastend. Für A.C.
Alicia war nie A.C. gewesen, und alle Briefe stammten aus der Zeit vor ihrer ausgedachten Ehe. Der Name war es nicht, was ihm Sorgen bereitete.
Sie runzelte die Stirn und blickte auf den Brief in ihrer Hand, dann blätterte sie den kleinen Stapel durch.
»Die hier sind alle an
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