Ein verführerischer Schuft
kleinen Weile fügte sie hinzu:
»Wenn es irgendwelche Probleme gibt … dann muss ich es jetzt wissen.«
Alicia tätschelte ihr die Hand, dann lehnte sie sich wieder zurück.
Trotz der mit so viel Überzeugung wie Lautstärke geäußerten Meinungen ihrer Brüder hatte Tony zwar nicht gehört, was sie gesagt hatte, aber er hatte den Wortwechsel der Schwestern bemerkt und sich vorgenommen, sich zu vergewissern, wie ernst es Geoffrey war. Das Letzte, was er gebrauchen konnte, war, dass Alicia sich wegen der knospenden Liebesgeschichte ihrer Schwester Sorgen machte. Er wollte ihre Aufmerksamkeit, so viel, wie er bekommen konnte - für sich selbst.
Maggs erschien wieder, um das Teetablett abzuräumen, und warf Tony dabei einen Blick zu, den er mühelos richtig deuten konnte: nichts zu berichten. Auf Alicias Anweisung hin standen die Jungen auf und verabschiedeten sich höflich, machten sich schicksalsergeben auf den Weg zu ihrem Unterricht im Schulzimmer. Während sie zur Tür marschierten, blickte Tony Adriana an.
Sie erwiderte den Blick, dann lächelte sie flüchtig, beinahe verschwörerisch. Sie schob die Blätter zusammen und nahm den Skizzenblock, stand auf. Mit einem lässigen »Ich bin in meinem Zimmer, falls du mich brauchst« zu Alicia folgte sie ihren Brüdern aus dem Raum und schloss die Tür hinter sich.
In dem Moment, da sie allein im Salon waren, erhob sich Tony und setzte sich auf das Sofa, wo Adriana eben noch gesessen hatte. Neben Alicia.
Sie schaute ihn aus weit aufgerissenen Augen besorgt an.
»Äh … hast du irgendetwas Neues über Ruskin und seine Machenschaften in Erfahrung gebracht?«
Gewohnheit drängte ihn, mit einem schlichten »Nein« zu antworten und sie dann vom Thema abzulenken, aber sein Entschluss, solche Sachen nicht vor ihr zu verheimlichen, bewog ihn zu einem anderen Vorgehen.
»Nichts Besonderes - wie gesagt, ich habe verschiedene Erkundigungen laufen.«
Er fasste in seine Rocktasche und zog die Listen, die er mit den Namen der Schiffe und den Daten sowie Ruskins Zahlungen angefertigt hatte, hervor.
»Dies hier«, begann er, streckte die Beine aus und legte sie an den Knöcheln übereinander, lehnte sich zurück. Er ordnete die Blätter und hielt sie dann hoch.
»Das ist alles, was wir im Moment haben.«
Sie zögerte, musste aber näher zu ihm rücken, wenn sie etwas erkennen wollte.
Ihre Schulter streifte ihn am Arm, während Alicia die Einträge las. Sie war entschlossen, die Unterhaltung auf das sichere und höchst wichtige Thema seiner Ermittlungen zu lenken. Vergleichsweise sicher; es wurde rasch klar, dass er sich nicht zu schade war, jede Gelegenheit, die sich ihm bot, ihre Sinne in Aufruhr zu versetzen, nach Kräften auszunutzen. Selbst diese hier nicht. Seine Handschrift war sauber und exakt, aber klein; sie musste sich vorbeugen, um die Daten lesen zu können. Das Bewusstsein seiner Nähe flutete ihre Sinne, seine Kraft, die Verheißung von Entzücken, die ihr Körper nun mit ihm verband.
Sie deutete auf die Liste.
»Diese Daten. Sie scheinen in gewisser Weise miteinander verbunden zu sein - nicht direkt, aber …«
Er nickte.
»Wir glauben …«
Ohne weiteres Nachfragen erklärte er, was die Listen enthielten, was sie seiner Ansicht nach bedeuteten. Zu ihrer Überraschung verriet er ihr sogar, was er vermutete bezüglich der Bedeutung der Liste, was er von den Schifffahrtslinien zu erfahren hoffte, von den Häfen und aus der Marine. Und wie das weitere Untersuchungswege eröffnen könnte … es war faszinierend.
Sie merkte, dass sie ihn unterstützen wollte - irgendwie dabei behilflich sein, das Rätsel zu lösen, wozu Ruskins Wissen benutzt worden war und weshalb. Sie war fest entschlossen, irgendetwas zu unternehmen - die Ermittlungen voranzubringen, sodass sie schnellstmöglich abgeschlossen werden konnten … und damit die offensichtliche Erklärung zu beseitigen, die Torrington hatte, um immer wieder bei ihr vorzusprechen, ihre Nähe zu suchen.
Sie war drauf und dran zu fragen, wie sie helfen konnte, hielt sich aber in letzter Sekunde davon ab; warum fragen? Sie griff nach den Listen und entzog sie ihm.
»Dürfte ich mir davon Abschriften anfertigen?«
Er zog die Brauen hoch, nickte aber.
»Wenn du willst …«
Tony beobachtete, wie sie aufstand und zu dem kleinen Schreibpult an der Wand zwischen den beiden Fenstern ging. Sie setzte sich, nahm eine Feder und ein Blatt Papier, dann begann sie seine Liste zu kopieren. Ein Sonnenstrahl fiel
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