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Ein verfuehrerischer Tanz

Ein verfuehrerischer Tanz

Titel: Ein verfuehrerischer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Dare
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beäugten. Die Männer ließen ihr höflich den Vortritt.
    Sie ging voraus und empfing die Gentlemen vor dem Eingangsportal mit strenger Miene, so wie früher ihre Mutter, wenn Amelias Brüder sich stritten. Falls diese erwachsenen Männer sich wie zänkische Lausejungen aufführen wollten, musste sie jemand zur Vernunft bringen. Das war sie Lily schuldig.
    »Bitte, warten Sie einen Moment. Bevor wir reingehen, habe ich Ihnen noch etwas mitzuteilen.«
    Ihre Begleiter starrten buchstäblich durch sie hindurch, als wäre sie aus Glas, und Amelias Entschlossenheit begann zu bröckeln. Selbst wenn sie sich wie dumme Schuljungen benahmen – die drei hochgewachsenen, kräftigen Männer wirkten ungemein einschüchternd. Ein Herzog, ein hoher Offizier und ein mit allen Wassern gewaschener Emporkömmling. Sie war es nicht gewohnt, die Aufmerksamkeit des anderen Geschlechts auf sich zu lenken, von ihren eigenen Brüdern einmal abgesehen. Allein bei dem Gedanken, in Morlands Richtung zu blicken, spielte ihr Magen verrückt. Folglich spähte sie unter halb gesenkten Lidern vorsichtig zu Lord Ashworth und Mr. Bellamy, die im bernsteinfarbenen Lichtkegel der Kutschenlampe standen.
    Herrje, ihr Anblick machte es Amelia nicht leichter.
    Ashworth war ein Baum von einem Mann – riesengroß, breitschultrig, imposant. Eine tiefe Narbe verlief von seiner Schläfe bis zum Wangenknochen, haarscharf an seinem Auge vorbei. Doch obwohl Ashworth wie ein bärbeißiger Seeräuber aussah, fand sie ihn sympathischer als Bellamy, der mit allen Wassern gewaschen war und dem sie nicht über den Weg traute. Er sprühte nur so vor Eitelkeit, mit seiner auffälligen Frisur, der geckenhaft modischen Kleidung, dem affektierten Benehmen.
    Sie atmete tief durch.
    »Ich sage Ihnen jetzt, wie wir es machen. Wir bitten das Personal, Lily aufzuwecken und anzukleiden.«
    Jede Frau, die mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen wurde, machte sich automatisch auf das Schlimmste gefasst. Wie oft war sie selbst schon die Treppe hinuntergestolpert, sterbensmüde und wacklig vor Angst, dass einem ihrer Lieben etwas zugestoßen sein könnte? Um dann festzustellen, dass Jack nach einem feuchtfröhlichen Abend mit seinen »Freunden« durchs Haus torkelte.
    »Wenn sie herunterkommt«, wiederholte sie, »spreche ich allein mit ihr. Sie warten in Lord Harcliffes Arbeitszimmer, bis ich Lily die traurige Nachricht mitgeteilt habe.«
    »Lady Amelia …«
    Sie winkte ungehalten ab und brachte Bellamy zum Schweigen. »Sir, ich reiße mich bestimmt nicht um diese Aufgabe. Trotzdem ist es besser, wenn ich das übernehme. Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich offen zu Ihnen bin, aber nach der Unterhaltung in der Kutsche bin ich überzeugt, dass es den Herren an der gebotenen Sensibilität fehlt.«
    »Mylady, ich muss doch sehr bitten!«
    »Nein, Sie müssen mir jetzt zuhören!« Ihre Stimme überschlug sich fast, und sie presste die Hand auf ihren Brustkorb. »Sie dürfen eins nicht vergessen, ich habe das, was Lily gleich bevorsteht, schon durchgemacht. Und wenn Sie zu dritt aufkreuzen, machen Sie die Sache bloß schlimmer. Ich bin mir nicht sicher, ob ich in ihrer Situation nicht spontan in Ohnmacht fallen würde. Was ich damit sagen will, ist … ähm … es war ein turbulenter Abend, und Sie strapazieren meine Nerven.«
    Was plapperte sie denn da für einen Unsinn? Die Gentlemen musterten sie mit einer Mischung aus Bestürzung und Befremden, als bekäme sie gleich einen hysterischen Anfall.
    Reiß dich zusammen, Amelia.
    »Bitte«, sagte sie. »Gestatten Sie mir, dass ich es ihr schonend beibringe. Wenn Lily Sie sieht, weiß sie sofort …«
    Mit einem leisen Knarren schwang die Tür hinter ihr auf.
    Amelia wirbelte herum und erblickte Lily Chatwick, die ihnen persönlich öffnete. Himmel, sie hatte ihre Freundin schon ewig nicht mehr gesehen. Das letzte Mal auf Hughs Beerdigung. Lily war ein paar Jahre älter als sie und nahm nur noch selten Einladungen zu Festen und Bällen wahr, seit sie nach schwerer Krankheit ihr Gehör eingebüßt hatte. Deshalb war der Kontakt eingeschlafen.
    »Amelia?« Lily strich sich eine dunkelgelockte Strähne aus dem Gesicht. Mit der anderen Hand raffte sie sittsam ihren Morgenrock zusammen. »Amelia d’Orsay? Und was machen Sie denn hier um diese …« Verschlafen blickte sie Amelias Begleiter an.
    Nervös knetete Amelia die Hände. Lily ist taub. Sie hat von unserer Diskussion bestimmt nichts mitbekommen, beschwichtigte sie sich.

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