Ein verfuehrerischer Tanz
und ließ abermals mutlos den Kopf sinken. »Es hat mit diesem abstrusen Club zu tun, den Leo gegründet hat, wegen des blöden Hengstes.«
»Ja.«
»Schon dieser alberne Name. Stud Club … Zossenclub. Da wäre mir garantiert etwas Edleres eingefallen. Also sag schon, was haben sie diesmal wieder ausgeheckt?«
Amelia unterdrückte ein Lachen.
»Wenn du willst, schick ich sie weg. Ich hab sie vorhin schon einmal kräftig zusammengestaucht.«
Das sagte sie nicht ohne Stolz. Warum auch nicht? Nachdem Jack sie dreist um ihre letzte Barschaft gebracht hatte, war die stille, unscheinbare Amelia über sich selbst hinausgewachsen und hatte endlich ihr Schneckenhaus abgestreift. Von den drei Gentlemen ließ sie sich nicht einschüchtern. Im Handumdrehen hatte sie sich einen Herzog geangelt und bei einem romantischen Walzer mit ihm geflirtet. Zwar erfolglos, aber immerhin. Sie hatte den Ball unter mysteriösen Umständen verlassen, und mittlerweile pfiffen es die Spatzen vermutlich von den Dächern, dass sich das wohlerzogene stille d’Orsay-Mädchen zur verruchten Amazone mauserte.
Natürlich erst um Punkt Mitternacht. In diesem Moment hatte Amelia ihr Mauerblümchendasein an den Nagel gehängt. Ganz egal, was morgen geschah, sie war stolz auf sich.
»Ich scheuche sie aus dem Haus«, sagte sie und sprang auf.
»Nein«, meinte Lily. »Ich spreche mit ihnen. Sie trauern genau wie wir und meinen es bestimmt nur gut. Männer haben nun mal das Bedürfnis, den Retter zu spielen. Auch wenn nichts mehr zu retten ist.«
»Ich hab ihnen gesagt, dass du Leo noch einmal sehen möchtest.«
»Danke, Amelia, schön, dass du daran gedacht hast. Ja, das möchte ich wirklich«, murmelte sie, ihre Stimme klang weich, entrückt. Amelia schätzte, dass Lily nach dem ersten schlimmen Schock wie betäubt war. Obwohl sie beteuerte, schon seit Stunden die grausame Wahrheit zu ahnen und sich damit zu arrangieren, wusste Amelia, dass ihre Freundin eine Weile brauchte, bis sie Leos Tod realisierte. Und dann wurde der Schmerz über den Verlust schier unerträglich.
Sie wollte Lily nicht drängen. Es war bestimmt besser für sie, wenn sie so lange wie möglich in jenem schwarzen Loch der Erinnerungslosigkeit schwebte.
»Soll ich mit nach oben kommen und dir beim Ankleiden helfen?«
»Nein. Lieb von dir, aber meine Zofe ist schon wach.«
»Dann warte ich hier unten mit den Gentlemen. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich die Köchin damit beauftrage, uns ein kleines Frühstück zu servieren, oder? Vielleicht sind die wilden Raubtiere nach der Fütterung ja ein bisschen zahmer. Du solltest auch etwas essen, Lily.«
»Ja, ich versuch’s. Eins von den Mädchen soll mir etwas aufs Zimmer bringen. Kümmerst du dich darum?« Sie stand langsam auf. »Ich bin froh, dass du mitgekommen bist, Amelia. Du bist wirklich ein Schatz.«
Sie hatten die Platten mit kaltem Braten und Käse auf dem Servierwagen kaum angerührt. Der Herzog saß in einem Lehnstuhl in einer Ecke der Bibliothek und blätterte gelangweilt in einem Buch. Falls er in der letzten Stunde von seiner Lektüre aufgeblickt hatte, so hatte Amelia es nicht bemerkt. Zumal sie zu ihrer Verärgerung feststellte, dass ihr Blick des Öfteren zu ihm glitt.
Lord Ashworth – er war der Einzige, der überhaupt etwas gegessen hatte –, hatte es sich auf einem Diwan bequem gemacht, die Augen geschlossen und seine schweren Stiefel auf das Lederpolster gelegt.
Mr. Bellamy war dagegen dauernd in Bewegung und ging nervös auf und ab. Als es klingelte, lief er spontan zur Tür. Der Besucher war ein Mann, der den Mordfall untersuchte.
»Gibt’s was Neues?«, fragte der Duke, als Bellamy zurückkehrte.
»Nein, nichts Konkretes. Er wurde in einer Gasse in Whitechapel überfallen. Ein paar Bettler hörten Schreie und Schläge, wagten aus Angst aber nicht, sich einzumischen. Die Prostituierte, die Leo fand und einen Schutzmann rief, ist seitdem verschwunden.«
»Woher wussten sie denn, dass sie ihn zu dir bringen sollten?«
»Als sie ihn fand, lebte er noch. Offenbar hat er ihr meine Adresse gegeben. Ein Glück, wer weiß, was sie sonst mit der Leiche angestellt hätten. Die Dirne spekulierte sicher auf eine Belohnung, weil sie einem Adligen das Leben rettete.«
»Vielleicht hat sie einfach ein Gewissen und ein gutes Herz«, wandte Amelia ein.
Bellamy schnaubte abfällig.
»Ihre Motive sind nebensächlich. Die konnten ihn auch nicht mehr retten. Er starb auf dem Weg zu mir.«
»Waren Sie zu
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