Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I
wie sie reagieren sollte. »Gestern war es also schön, aber heute nicht mehr?«
Angelica ließ eine Art Miauen hören, das wie Zustimmung klang.
»Aber Sie wissen nicht, woran das liegt?«
Angelica schüttelte den Kopf und heulte laut. Nach mehreren Minuten stammelte sie erschöpft und stotternd: »S-so geht e-es mir eben man-manchmal.«
Mary erinnerte sich an den Morgen nach dem Fest. Da hätte Angelica eigentlich hochgestimmt sein sollen, stattdessen hatte sie jedoch total unglücklich gewirkt. »Setzen Sie sich mal auf. Dann können Sie besser atmen.« Sie schenkte ihr ein Glas Wasser ein.
Angelica richtete sich schwerfällig auf und schnäuzte sich. »Sie müssen mich ja verachten«, sagte sie schließlich. »Mein Leben ist mit dem Ihren verglichen so einfach und da heule ich wegen gar nichts.«
»Ich verachte Sie doch nicht.« Mary sagte die Worteautomatisch, merkte aber, dass sie sie ernst meinte. Angelica war eine selbstsüchtige Göre. Aber trotz ihres ganzen Reichtums und ihrer Privilegien war sie in den entscheidenden Dingen genauso hilflos wie Cass Day.
Angelica seufzte und sah auf ihre Hände hinunter. An ihrem linken Ringfinger steckte ein einfacher goldener Reif, so dünn, dass er fast nur wie ein Schatten aussah. Ihr Gesicht verdüsterte sich wieder.
»Sie bedauern doch nicht, dass Sie ihn geheiratet haben, oder?«, fragte Mary. »Gestern haben Sie sich Ihrer Sache so sicher gewirkt.«
Angelica fiel in sich zusammen, als müsste sie wieder weinen, doch sie riss sich zusammen. Nach ein paar Minuten sagte sie: »Ich dachte, es würde mich glücklich machen, ihn zu heiraten. Hat es auch, ein paar Stunden lang. Und dann – haben wir uns gestern wieder hereingeschlichen und haben wie üblich zu Abend gegessen – es war, als ob sich nichts verändert hätte.« Sie hob schlaff die Hand. »Alles ist beim Alten. Ich bin immer noch hier. Er ist immer noch der Sekretär. Ich dachte, es würde sich was ändern.«
»Es wird sich was ändern, sobald Ihre Eltern wissen, dass Sie geheiratet haben. Vielleicht sollten Sie und Michael es ihnen sagen?«
Angelica trank etwas Tee. »Ich habe die ganze Nacht wach gelegen und darüber nachgedacht. Aber es steckt mehr dahinter. Ich habe erwartet, dass sich alles ändern würde, wenn man heiratet. Aber nun sind die gleichen Dinge nur noch komplizierter. Ichhabe das Gefühl, in der Falle zu sitzen – nicht wegen der Heirat, aber sonst. Ich – ich weiß nicht, wie ich es erklären soll.«
Mary sah Angelica eine Weile an. Dann sagte sie: »Ich weiß, dass Sie mich nicht besonders mögen, aber darf ich meine Meinung dazu sagen?«
»Es ist nicht, dass ich Sie nicht mag … Ich hatte einfach beschlossen, Sie nicht zu mögen.« Sie lächelte zaghaft. »Ich nehme mal an, dass Ihnen das egal ist, aber ich finde Sie interessant.«
Interessant
. Es war eine schmerzliche Erinnerung an James’ Einschätzung ihrer Person – und an seine spätere Verachtung. Mary holte tief Luft und konzentrierte sich auf Angelicas Lage. »Ich glaube«, sagte sie behutsam, »dass es einige Frauen gibt, für die Ehe und Kinder das Wichtigste im Leben sind. Aber ich glaube auch, dass es andere gibt, die nach mehr streben. Ihre Niedergeschlagenheit erinnert mich an dieses Streben.«
Angelica zog die Brauen zusammen. »Aber ich bin zur Ehe erzogen worden.«
»Sie sind doch eine begabte Pianistin, Angelica. Haben Sie je erwogen, daraus mehr zu machen, als nur für Ihre Familie und Freunde zu spielen?«
Sie errötete leicht. »Meine Klavierlehrer haben das immer gesagt … Ich habe aber nie geglaubt – mir nie zu glauben erlaubt … Und jetzt bin ich verheiratet.« Sie ließ die Schultern sinken. »Es ist zu spät.«
»Wirklich?« Viele Schauspielerinnen und Opernsängerinnen gaben schließlich weiter Vorstellungen,auch wenn sie verheiratet waren. »Könnten Sie nicht Pianistin und Ehefrau sein?«
»Das geht doch nicht!« Angelica sah aufrichtig entsetzt aus. »Und der arme Michael …«
»Er scheint doch ganz vernünftig zu sein und will sicher auch, dass Sie glücklich sind. Er wäre wahrscheinlich stolz darauf, eine talentierte Frau zu haben.«
Angelica schüttelte den Kopf. In ihren großen blauen Augen war Erregung zu sehen. »Es gehört sich nicht. Es ist einfach – es ist nicht …«
»Ich versuche nicht, Ihnen zu sagen, was Sie tun sollen«, sagte Mary schnell. »Ich will nur andeuten, dass Sie vielleicht unglücklich sind, weil Sie glauben,
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