Ein verhaengnisvoller Winter
ich mich wohl auch entschuldigen? Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr ganz genau, wie unser Gespräch gestern Abend abgelaufen ist. Ich meine mich nur zu erinnern, dass du mal wieder nicht gut auf mich zu sprechen warst.“ Fragend sah er sie an.
„Ach, es war nichts.“ Josefine winkte ab. „Das ist aber eine gute Idee von dir, mit den Kindern einen Baum zu holen. Sie haben bestimmt einen Heidenspa ß.“ Immer, wenn sie dachte, davon überzeugt zu sein, dass Richard wirklich ein Idiot war, kam er mit irgendeiner netten Geste und warf ihre Meinung wieder über den Haufen.
„Hoffentlich. Ich geh auf jeden Fall gerne durch die Winterlandschaft spaz ieren.“
„Ja, bei mir hebt sich die Stimmung auch immer nach einem Spaziergang“, sagte Josefine.
Richard sah sie einen Moment an. „Du kannst ja mitkommen“, schlug er dann vor.
Josefine zögerte. Sollte sie mitgehen? Sie hatte ihre morgendliche Arbeit erledigt und die Hausarbeit konnte warten. „Warum eigentlich nicht?“, dachte sie laut. Als sie Richards erfreuten Gesichtsausdruck sah, bemerkte sie, dass sie laut gesprochen hatte. Sie blickte auf ihre Schüssel mit den Eiern, die sie immer noch in der Hand hielt. „Lass mich die eben reinbringen und mich wärmer anziehen.“
„Ja, sicher“, lachte Richard. „Und ich geh den Schlitten und ein e Säge aus dem Schuppen holen.“
Jetzt auch erfreut über die Aussicht auf einen schönen Spaziergang, machte sich Josefine aufgeregt auf den Weg ins Haus.
Richard zog den Schlitten, welcher mit den lachenden Zwillingen beladen war, über den verschneiten Feldweg. Sein Atem bildete kleine Nebelwölkchen und Richard sah sich zufrieden die schöne verschneite Landschaft an. Er bemerkte, dass von der düsteren Stimmung, die ihn die letzten Wochen beherrscht hatte, heute nichts zu spüren war. Er war froh, dass er sich heute Morgen dazu entschieden hatte, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, mit den Kindern einen Weihnachtsbaum zu holen, anstatt wieder in die Kneipe zu gehen. Ja, so ein Spaziergang wirkte Wunder. Er blickte auf Josi, die sich gerade lachend mit den Kindern unterhielt und er musste zugeben, dass es wohl zu einem Großteil an seinen Begleitern lag, dass ihm der Morgen so gut gefiel.
„Onkel Richard, wo holen wir denn den Baum?“, fragte Lina aufgeregt.
„Hinten in dem kleinen Wäldchen in der Nähe vom See. Da könnt ihr dann einen Schönen aussuchen.“
Als sie nach einer Weile an dem kleinen Wald angekommen waren, sahen sie nachdenklich auf die Tannen, die zur Auswahl standen. Viele waren es nicht, da es vorwiegend ein Laubwäldchen war, aber es standen trotzdem genug zur Verfügung.
„So viele Tannenbäume sind es ja nicht. Aber dafür haben sie die richtige Größe. Es sieht aus, als hätte sie jemand vor ein paar Jahren erst angepflanzt. Bist du sicher, dass wir uns einfach so bedienen können?“, fragte Josefine zweifelnd.
„Ja, keine Bange. Ich kenn die Leute, denen der Wald gehört“, versicherte Richard. Als Josefine ihn immer noch zweifelnd ansah, stieß er ungehalten den Atem aus. „ Ich hab gestern in der Kneipe den Otto Nessel getroffen. Das ist der Tierarzt hier im Dorf. Er hat mir sein Beileid zum Tod von meinem Vater und Toni ausgesprochen. Dann hat er sich nach den Kindern erkundigt. Er kennt die Anneliese gut, von früher. Also hab ich ihm erzählt, dass ich vorhatte, mit ihnen einen Tannenbaum zu holen, so wie der Toni dass immer gemacht hat und da hat er mir versichert, ich könne hier einen wegnehmen. Das Wäldchen gehört zum Hof seiner Schwester.“ Richard zeigte auf einen kleinen Vierkanthof ein Stückchen entfernt. „Das ist auch der Grund, warum ich gestern dann noch bei euch aufgekreuzt bin. Ich wollte den Kindern sagen, dass wir heute losmarschieren.“ Er kratzte sich verlegen am Kinn. „Hatte wohl schon so viel intus, dass ich nicht mehr nachgedacht hab, wie spät es schon ist. Na ja“, er zuckte die Achseln. „Wie ist es jetzt. Darf ich jetzt ein Bäumchen fällen?“ Abwartend sah er Josefine an.
„Ja, sicher. Tut mir leid.“
„Also los, Kinder“, sprach Richard zu den Kleinen und schlug die behandschuhten Hände aneinander. „Welcher Baum täte denn dem Christkind besonders gefallen?“
Wenig später, nach einigen Bemühungen, die Tanne einigermaßen sicher auf dem Schlitten zu platzieren, befanden sie sich wieder auf dem Heimweg. Die Kinder liefen aufgedreht vorweg, und Josefine achtete darauf, dass d ie Tanne auch auf dem Schlitten
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