Ein verhängnisvolles Versprechen
das Schema Unschuldiges-Indio-Mädchen, aber heute, in diesem Kleid, reichte der Begriff strahlende Schönheit fast nicht mehr aus, um sie zu beschreiben. Sie war immer wild, offen für alles und dabei fest davon überzeugt gewesen, dass sie nie heiraten und mit einem Mann ein häusliches Leben anfangen würde. Aber jetzt hatte sie ein Baby und heiratete. Selbst Esperanza war erwachsen geworden.
»Du hast Recht«, sagte sie. »Aber die Welt ändert sich nun mal, Myron. Und du konntest Veränderungen noch nie ausstehen.«
»Jetzt fang nicht damit an.«
»Guck dich doch an. Bis Mitte dreißig hast du bei deinen Eltern gewohnt. Dann hast du das Haus gekauft, in dem du aufgewachsen bist. Und du verbringst immer noch einen Großteil deiner Zeit mit deinem Zimmergenossen von der Uni, von dem wir beide wissen, dass er sich nicht ändern kann.«
Er hob die Hand. »Ich hab’s begriffen.«
»Ist aber schon ein bisschen komisch.«
»Was?«
»Ich hab immer gedacht, du heiratest zuerst.«
»Ich auch.«
»Über Win brauchen wir ja nicht zu reden. Aber du hast dich immer so schnell verliebt – besonders in dieses Biest, Jessica.«
»Du sollst sie nicht so nennen.«
»Egal. Auf jeden Fall warst du derjenige, der auf den amerikanischen Traum abonniert war – heiraten, zwei Komma sechs Kinder bekommen, Freunde und Familie zum Grillen in den Garten einladen und so weiter.«
»Und du hast es nie darauf angelegt.«
Esperanza lächelte. »Hattest du mir nicht den Satz beigebracht: › Der mentsch tracht un got lacht?‹«
»Heißa. Ich steh echt drauf, wenn ihr Schicksen Jiddisch sprecht.«
Esperanza legte ihm die Hand in die Armbeuge. »Manchmal ist das echt gut so, weißt du?«
»Ja.«
Sie atmete tief durch. »Sollen wir?«
»Bist du nervös?«
Esperanza sah ihn an. »Kein Stück.«
»Dann frisch voran.«
Myron führte sie den Gang entlang. Er hatte es für eine freundliche
Formalität gehalten, für ihren Vater einzuspringen, doch als er Tom Esperanzas Hand übergab, als Tom lächelte und ihm die Hand schüttelte, stiegen Myron Tränen in die Augen. Er trat zurück und setzte sich in die erste Reihe.
Die Hochzeitsgäste waren weniger eine ausgesuchte Gesellschaft als vielmehr ein wunderbar zusammengewürfelter Haufen unterschiedlichster gesellschaftlicher Gruppierungen. Win war Toms Trauzeuge und Big Cyndi Esperanzas Brautjungfer. Big Cyndi, Esperanzas frühere Catch-Partnerin, war knapp zwei Meter groß und wog mindestens hundertfünfzig Kilo. Ihre Fäuste sahen aus wie Dosenschinken. Sie hatte sich nicht für ein Outfit entscheiden können – ein klassisches pfirsichfarbenen Brautjungfern-Kleid oder ein schwarzes Lederkorsett. Ihr Kompromiss bestand in einem ärmellosen pfirsichfarbenem Lederkleid mit Fransensaum, aus dem Arme in der Dimension und Konsistenz von Marmorsäulen vor einem georgianischen Herrenhaus hervorquollen. Die Haare hatte sie zu einem malvenfarbenen Irokesen gestylt, der oben mit einem kleinen Brautpaar dekoriert war, wie man es sonst auf Hochzeitstorten fand.
Beim Anprobieren des, äh, Kleids, hatte Big Cyndi die Arme ausgebreitet und für Myron eine Pirouette gedreht. Der Gezeitenstrom hatte sich umgekehrt, und Sonnensysteme wurden in ihrer Bahn erschüttert. »Wie finden Sie es?«, hatte sie gefragt.
»Malve und Pfirsich?«
»Das ist voll hip, Mr Bolitar.«
Sie nannte ihn immer Mister. Big Cyndi legte Wert auf eine gewisse Förmlichkeit.
Tom und Esperanza heirateten in einer malerischen Kirche. Die Sitzreihen waren mit weißen Mohnblumen geschmückt. Auf Toms Kirchenseite war man streng schwarzweiß gekleidet – ein Meer von Pinguinen. Esperanzas Seite war so vielfarbig, dass Buntstifthersteller hier ihre Trendscouts hätten herschicken sollen. Sie erinnerte an die Halloween-Parade in Greenwich Village.
Die Orgel spielte ein paar schöne Hymnen. Der Chor sang engelsgleich. Das Ganze hätte nicht feierlicher sein können.
Für die Party hatten Tom und Esperanza andere Vorstellungen. Sie hatten das Leather and Lust gemietet, einen Sado-Maso-Club in der Nähe der 11th Avenue. Big Cyndi arbeitete dort als Rausschmeißerin, und manchmal ging sie auch sehr spätnachts auf die Bühne und lieferte eine Show ab, die die Vorstellungskraft der meisten Menschen bei weitem überstieg.
Myron und Ali parkten am West Side Highway. Sie kamen an einem rund um die Uhr geöffneten Porno-Shop namens King David’s Slut Palace vorbei. Die Fenster waren von innen verhängt. An der Tür hing ein
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