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Ein verhängnisvolles Versprechen

Ein verhängnisvolles Versprechen

Titel: Ein verhängnisvolles Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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über Sie«, sagte sie. »Nein, ich bin kein Basketball-Fan, aber Google wirkt manchmal Wunder. Ich benutze es ständig. Auch bei Patienten. Wenn ein neuer zu mir kommt, überprüfe ich ihn online.«
    »Und?«
    »Verraten Sie mir eins: Warum versuchen Sie, das Mädchen zu finden?«
    »Ich bin ein Freund der Familie.«
    »Aber warum Sie?«
    »Das ist schwer zu erklären.«
    Edna Skylar ließ das einen Moment lang sacken, überlegte offenbar, ob sie sich mit der vagen Antwort zufriedengeben sollte. »Wie kommen die Eltern mit der Sache klar?«

    »Nicht gut.«
    »Höchstwahrscheinlich ist ihre Tochter in Sicherheit. So wie Katie.«
    »Möglich.«
    »Das sollten Sie ihnen sagen. Sprechen Sie ihnen Trost zu. Machen Sie ihnen klar, dass sie da heil wieder rauskommt.«
    »Ich glaube nicht, dass das helfen würde.«
    Sie sah zur Seite. Ihre Miene verfinsterte sich.
    »Dr. Skylar?«
    »Eins von meinen Kindern ist mal weggelaufen«, sagte Edna Skylar. »Er war damals siebzehn. Sie kennen die Diskussion darüber, was auf Vererbung und was auf Erziehung beruht? Also, ich war eine richtig schlechte Mutter. Ich wusste das auch. Aber mein Sohn hat von Anfang an nur Ärger gemacht. Er hat sich geprügelt. Er hat geklaut. Mit sechzehn ist er wegen eines Autodiebstahls verhaftet worden. Er hat jede Menge Drogen genommen, was mir damals aber wohl noch nicht richtig klar war. Das war vor den Zeiten, als von ADS die Rede war und man kleine Kinder auf Ritalin gesetzt hat oder so. Wahrscheinlich hätte ich es ihm sogar gegeben, wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Ich habe mich damals aber einfach immer weiter zurückgezogen und gehofft, dass sich das mit der Zeit gibt. Ich habe mich aus seinem Leben rausgehalten. Ich habe ihm nicht gezeigt, wie man ein sinnvolles Leben führt.«
    Sie sagte das sehr nüchtern.
    »Und als er dann ausgerissen ist, habe ich auch nichts getan. Ich hatte fast damit gerechnet. Eine Woche verging. Dann noch eine. Er hat nicht angerufen. Ich wusste nicht, wo er war. Kinder sind ein Segen. Aber sie können einem auch das Herz aus der Brust reißen, wie man es sich gar nicht vorstellen kann.«
    Edna Skylar schwieg.
    »Was ist mit ihm passiert?«, fragte Myron.
    »Nichts besonders Dramatisches. Irgendwann hat er dann doch angerufen. Er war an der Westküste und hat versucht, ein
großer Star zu werden. Er brauchte Geld. Er ist dann zwei Jahre drüben geblieben, aber alles, was er angefangen hat, ist in die Hose gegangen. Dann ist er zurückgekommen. Mit ihm ist immer noch nicht viel los. Ich versuche, ihn zu lieben, mich ein bisschen um ihn zu kümmern, aber …«, sie zuckte die Achseln, »… als Ärztin bin ich ein Naturtalent, als Mutter ganz sicher nicht.«
    Edna Skylar sah Myron an. Er merkte, dass sie noch nicht fertig war, also wartete er.
    »Ich wünschte …«, ihre Kehle schnürte sich zu. »Es ist so ein furchtbares Stereotyp, aber mein sehnlichster Wunsch wäre, noch einmal ganz von vorn anzufangen. Ich liebe meinen Sohn wirklich, aber ich weiß nicht, wie ich ihm helfen kann. Wahrscheinlich ist er ein hoffnungsloser Fall. Ich weiß, dass das kalt klingt, aber wenn man Tag für Tag professionelle Diagnosen erstellt, neigt man dazu, das auch ins Privatleben zu übernehmen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich auf das Leben der Menschen, die ich liebe, keinen Einfluss nehmen kann. Also nehme ich Einfluss auf die Leben derjenigen, die mir nicht ganz so wichtig sind.«
    »Ich versteh nicht, was Sie meinen«, sagte Myron.
    »Meine Patienten«, sagte sie. »Es sind eigentlich Fremde, aber ich kümmere mich sehr intensiv um sie. Das liegt nicht etwa daran, dass ich so großzügig oder ein wundervoller Mensch bin, sondern weil sie in meinem Kopf noch unschuldig sind. Und ich urteile auch über sie. Ich weiß, dass das falsch ist. Ich weiß, dass ich alle Patienten gleich behandeln müsste, und was die eigentliche Behandlung angeht, gelingt mir das wohl auch ganz gut. Wenn ich beim Googeln eines Patienten aber erfahre, dass er im Gefängnis gesessen hat oder sonst irgendwie eine zweifelhafte Vergangenheit hat, versuche ich, ihn zu einem anderen Arzt abzuschieben.«
    »Sie haben eine Vorliebe für die, die frei von Sünde sind«, sagte Myron.

    »Genau. Ich helfe lieber denen, die ich, na ja, für unschuldig halte … oder zumindest für unschuldiger.«
    Myron musste an seine eigenen Überlegungen denken, dass das verbrecherische Leben der Zwillinge für ihn wertlos war und wie viele Zivilisten er

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