Ein Versprechen aus Afrika
ihm. Trotz der Hitze trug sie ein strenges schwarzes Kleid. Sie machte einen zutiefst betrübten Eindruck.
Louis Bertin fühlte sich unwohl. Sein anfänglicher Elan war etwas gedämpft. Vielleicht handelte es sich wirklich ganz einfach nur um ein schreckliches Drama, bei dem eine Frau ihren Ehemann gleich zu Beginn der Flitterwochen verloren hatte. Der Detektiv sagte mit fast ehrerbietiger Stimme: »Madame, ich bin untröstlich, dass ich Sie unter diesen tragischen Umständen belästigen muss, aber die Versicherungsgesellschaft schickt mich, damit die üblichen Formalitäten erfüllt werden.«
Die Witwe forderte ihn mit einer gleichgültigen Bewegung auf einzutreten. Der junge Detektiv fühlte sich unbehaglich, als er die Villa mit den zugezogenen Vorhängen betrat. Es herrschte eine düstere Stimmung, während draußen Ferienlaune und Sorglosigkeit für Heiterkeit sorgten und die Sonne schien. Er hatte Schuldgefühle, diese Trauer zu stören. Seine anfängliche Begeisterung war wie weggeblasen. Doch dann fasste er sich wieder: Er musste seine Aufgabe erfüllen. »Madame, ich muss Sie im Namen meiner Versicherungsgesellschaft fragen, unter welchen Umständen Ihr Mann gestorben ist.«
Bernadette Duval riss sich mit übermenschlicher Kraft zusammen. Sie sprach mit tonloser, fast mechanischer Stimme.
»Das war vor drei Tagen. Als wir vom Strand zurückkehrten, fühlte sich Honoré plötzlich unwohl. Er legte sich hin und ich rief den Arzt. Der hat dann einen Sonnenstich diagnostiziert. Als der Arzt sich verabschiedete, hat er mir anvertraut, dass er sehr besorgt sei und dass man, wenn sich der Zustand meines Mannes nicht schnell bessern würde, ihn in die Klinik bringen müsse. Nur drei Stunden später war Honoré tot. Ich habe wieder den Arzt gerufen, doch der konnte nur noch den Tod feststellen. Gestern wurde Honoré auf dem Friedhof von Nizza beerdigt.«
Madame Duval schluchzte leise vor sich hin. »Bitte, lassen Sie mich jetzt allein.«
Louis Bertin verabschiedete sich. Nein, der Fall lag keineswegs so, wie er ihn sich vorgestellt hatte. Honoré Duval schien tatsächlich an einem Sonnenstich gestorben zu sein.
Da der Detektiv jedoch sehr gewissenhaft war, beschloss er, vor seiner Rückkehr nach Paris den besagten Arzt aufzusuchen, der den Totenschein unterschrieben hatte.
Dieser empfing ihn ziemlich ungnädig.
»Was soll ich Ihnen Ihrer Meinung nach sagen? Der Mann ist an einem Sonnenstich gestorben, basta.«
Der Detektiv erlaubte sich die Frage: »Eine Vergiftung halten Sie für ausgeschlossen?«
Der Arzt nahm ihm diese Bemerkung sehr übel: »Ich beherrsche meinen Beruf, das dürfen Sie mir glauben. Dieser Mann ist einem Sonnenstich erlegen. Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe, ich muss arbeiten...«
Als Louis Bertin die Arztpraxis verließ, war er sichtlich enttäuscht. Die Hitze war erdrückend. Bei solchen Temperaturen war es nicht verwunderlich, dass ein Mann, auch wenn er kerngesund war, starb, wenn er sich zu intensiv der Sonne aussetzte. Für seine erste Untersuchung war das zwar ein enttäuschendes Ergebnis, aber man musste den Tatsachen ins Auge sehen. Der Tod des jungen Ehemannes, zwei Tage nach der Hochzeit, war nur ein tragischer Zufall. Die Gesellschaft musste die Versicherungssumme umgehend an die Witwe, die so hart geprüft worden war, überweisen. Louis Bertin kehrte nach Paris zurück und legte dem Direktor seinen Bericht vor. Er hatte nichts gefunden. Der Totenschein und die Bestattungsfreigabe waren in Ordnung und der Arztbericht war eindeutig: Es handelte sich um einen natürlichen Tod. Die Versicherungsgesellschaft musste folglich zahlen.
Und die Gesellschaft zahlte tatsächlich: vier Millionen Franc, ein Vermögen. Madame Duval, die inzwischen die Côte d’Azur verlassen hatte, hinterließ ihre neue Adresse in der Schweiz. Dort wollte sie künftig leben und dorthin wurde ihr auch die Versicherungssumme überwiesen.
Der Direktor der Versicherungsgesellschaft schloss die Akte mit einem Seufzer. Doch letztendlich ging man bei Versicherungen immer ein Risiko ein. Im Fall von Honoré Duval hatte die Gesellschaft keine Chance gehabt und der Unglückliche noch weniger. Der Fall war abgeschlossen.
März 1950. In Paris erhielt die Dienststelle von Interpol eine Mitteilung der Schweizer Polizei. Es ging um einen französischen Staatsangehörigen, der seit einigen Jahren in der Schweiz lebte. Er war kürzlich wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden und man verdächtigte ihn,
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