Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
Mutter und den englischen Piloten, den sie gerettet hatte. Sie schloss die Augen und versuchte sich dieses Haus, die Villa Sirena, während des Krieges vorzustellen. Sie hatte in dieser Zeit leer gestanden. Was für eine Vergeudung.
Toninos Stimme drang in ihre Gedanken. »Und dein Großvater hat dafür gesorgt, dass alles Wertvolle aus der Villa Sirena entfernt wurde, falls es zu Plünderungen kommen würde.«
»Aber wer hätte sie denn plündern sollen?« Nachdem er den Kaffee getrunken hatte, wirkte Tonino deutlich nüchterner. Sie selbst fühlte sich ebenfalls klarer. Aber Tess hatte nicht den Eindruck, dass er seine Meinung geändert hätte.
Tonino zuckte mit den Schultern. »Deutsche, vermute ich. Oder die Mafia. Krieg oder nicht Krieg, auf Sizilien hat es immer schon skrupellose Männer gegeben.«
Nicht nur auf Sizilien, dachte Tess.
»Also hat er meinen Großvater, Alberto Amato …« – Tess hörte den Stolz in seiner Stimme – »… den Freund, dem er am stärksten vertraute, gebeten, er möge ihm helfen, eins von Edward Westermans kostbarsten Besitztümern zu verstecken. Il tesoro .«
»Warum?« War der Schatz so groß gewesen, dass er ihn nicht allein tragen konnte? Das war kaum vorstellbar.
Tonino neigte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
»Und woher ist er überhaupt gekommen?«
»Auch das weiß ich nicht.« Er breitete die Hände aus. »Vielleicht haben Edward Westermans Handwerker ihn gefunden, als sie die Fundamente für die Villa ausgehoben haben. Wer weiß?«
Giovanni wusste es vielleicht, da er doch alles zu wissen schien. Aber ob er es ihr sagen würde? Wahrscheinlich nicht. Möglich, dass sogar ihre Mutter es wusste, obwohl es unwahrscheinlich war, dass ihr Vater sie in seine Geheimnisse eingeweiht hatte. Santina? Denkbar. Abgesehen davon klang es, als könnte der Schatz etwas von historischem Wert sein, etwas, das so selten und so kostbar war wie eine römische Urne, die auf einem Feld in England gefunden wurde.
»Das würde allerdings bedeuten, dass er ihm juristisch gesehen nicht gehörte«, erklärte Tonino.
»Genau.« Diese Erklärung ergab einen Sinn. Wenn er ein griechisches oder römisches Artefakt gefunden hatte, spielte es keine Rolle, dass ihm das Land gehörte. Wenn er von historischem Wert war, musste man den Fund wahrscheinlich bei den Behörden melden.
»Es ist nicht ungewöhnlich«, sagte Tonino, »dass solche Gegenstände hier gefunden werden. Und es ist üblich, dass die Mafia Bauarbeiten genau im Auge behält – mit einem Fernglas …« Er hielt sich einen imaginären Feldstecher vor die Augen.
»Tatsächlich?« Tess blinzelte.
»Aber ja«, antwortete er. »Es könnte doch um viel Geld gehen.«
»Und niemand weiß, was oder wo dieser Schatz ist«, murmelte sie.
Er sah sie an. Bedauernd? »Manchmal«, versetzte er düster, »ist es am besten, etwas nicht zu wissen.«
Also ehrlich! Dieser Mann und ihre Mutter würden sich prächtig verstehen.
»Alle haben angenommen, dass der Schatz bis nach dem Krieg in seinem Versteck blieb«, erklärte Tonino. »Die Probleme begannen erst, als mein Großvater geschickt wurde, um ihn zu holen. Der Krieg war vorbei, und Signor Westerman würde bald nach Sizilien zurückkehren.«
»Was ist passiert?«, erkundigte sich Tess, obwohl sie schon ahnte, was jetzt kam. Diebstahl und Verrat, hatte Giovanni gesagt.
»Mein Großvater konnte ihn nicht finden«, sagte Tonino. Zum ersten Mal schien er sich unwohl zu fühlen, so als ob dies ein Aspekt der Geschichte sei, der ihm unangenehm war. »Es gab ein Problem.«
»Ein Problem?«, fragte Tess. »Du meinst, er war nicht mehr dort, wo er ihn versteckt hatte?«
Tonino zuckte mit den Schultern. »Etwas in der Art«, pflichtete er ihr bei.
Tess starrte ihn an. »Also hat ihn jemand anderer zuerst geholt?«
»Nein. Ich meine, ja. Oder vielleicht auch nicht«, antwortete er.
Alle Klarheiten beseitigt.
»Ich weiß es nicht«, gestand er. »Weil ich keine Ahnung habe, wo er ihn versteckt hat. Er hat mir nur gesagt, er sei ebenso gut verborgen wie die Fundamente Siziliens selbst. Aber das Wichtige ist, was als Nächstes passierte.«
»Und das war …?«
»Leute haben mit deinem Großvater gesprochen. Besonders die Sciarras. Enzo war inzwischen enger mit deinem Großvater befreundet. Zweifellos wusste er ebenfalls von Il tesoro . Sie hassten meine Familie, und sie misstrauten ihr. Auf Sizilien …«
»Ja«, sagte sie. »Die Leute sind immer misstrauisch.«
»Sie behaupteten, mein
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