Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
Neues also zu Hause. Dann begann sie mit den Essensvorbereitungen. Es gab fast zu viel zu tun, sodass sie nicht wusste, wo sie anfangen sollte.
Um viertel nach sieben rief sie sich ins Gedächtnis, dass Sizilianer niemals pünktlich kamen. Um halb acht öffnete sie die Weinflasche, und um acht kochte sie die Spaghetti. Um halb neun sah sie von der Terrasse zum baglio hinunter, aber in Toninos Atelier war alles dunkel.
Na schön, sie hatte auch ihre Zweifel, aber wenigstens hatte sie zuerst mit ihm reden wollen. Um neun hatte sie die ganze Flasche Wein getrunken und die Spaghetti und die Sardinen gegessen, und es war ihr vollkommen egal, ob er noch kam. Männer bedeuteten, wie sie schon immer gewusst hatte, eine komplette Verschwendung von Zeit, Platz und Energie. Und Giovanni Sciarra, verdammt sollte er sein, behielt offensichtlich recht.
Als Tess um halb elf ein Klopfen an der Tür hörte, hatte sie aus einer Laune heraus auch noch fünf Gläschen limoncello getrunken, den einzigen Alkohol, den sie sonst noch im Haus hatte, und war auf Edward Westermans schäbigem braunen Ledersofa beinahe eingeschlafen. Sollte sie aufmachen? Lust hatte sie keine, aber …
Tess öffnete die Tür. Er sah wild, zerzaust und betrunken aus, und er starrte sie an, als wäre er wütend auf sie. Schon wieder. Moment mal, sollte sie nicht diejenige sein, die sauer war?
»Was ist passiert?«, fragte sie.
Er lehnte sich schwer an den Türrahmen. »Diese Villa gehört dir, ja?«
»Ja, das habe ich dir doch gesagt.« Dies schien weder die Zeit noch der Ort für eine Diskussion über Besitzverhältnisse zu sein.
»Aber du bist nicht verwandt mit Signor Westerman, oder?«
»Nein.« So langsam wurde Tess klar, worauf das hinauslief. Vielleicht war sie nicht die Einzige, die man gewarnt hatte. Vielleicht hasste seine Familie ihre Familie genauso, wie ihre Leute Toninos Leute hassen sollten, jedenfalls wenn es nach Giovanni ging.
»Willst du nicht hereinkommen?« Er sah nicht gefährlich aus, sondern so, als könne er jeden Moment umfallen.
»Ich bin nicht nüchtern«, erklärte er und fixierte sie mit einem flackernden Blick.
»Das habe ich mir schon gedacht«, sagte Tess und trat beiseite, damit er an ihr vorbeitorkeln konnte. »Ich übrigens auch nicht. Ich habe unsere Weinflasche ausgetrunken.« Und dann noch den Likör.
Tonino hielt sich am Türrahmen des Wohnzimmers fest, holte tief Luft und ging dann hinein, als balanciere er auf einem Seil.
Entnervt schüttelte Tess den Kopf. Sie bedeutete ihm, sich auf das Ledersofa zu setzen. Besser, sie ging in die Küche und kochte Kaffee.
»Also …«, sagte Tonino. Anscheinend hatte er den Faden verloren.
»Also?«
»Also, du kanntest diesen Mann, Westerman, nicht einmal, richtig?««Ich habe ihn nie kennengelernt«, pflichtete Tess ihm von der Tür aus bei. »Was hat das damit zu tun?«
Tonino hatte sich auf dem Sofa ausgestreckt. »Ich hatte angenommen …« Er sprach jetzt langsam und sorgfältig und lallte kaum. Und das in einer Fremdsprache, wie Tess bewundernd bemerkte. »Du wärest mit ihm verwandt.«
»Nein.« In der Küche setzte sie Kaffee auf und stellte eine Bestandsaufnahme an, die ihr viel leichter gefallen wäre, wenn sie nicht den ganzen Wein getrunken hätte. Nachdem er das erfahren hatte, war Tonino ganz offensichtlich in die nächstbeste Bar gegangen.
Sie trug den Kaffee ins Wohnzimmer. »Erzähl mir, was passiert ist«, sagte sie noch einmal und stellte das Tablett auf dem Tisch ab.
Tonino saß auf dem Sofa und hatte den Kopf in die Hände gestützt. Sie widerstand dem Drang, ihn zu umarmen. »Wer bist du?«, flüsterte er.
Sie hatte also recht gehabt. »Ich bin Flavia Farros Tochter«, erklärte sie. »Meine Mutter hat hier in Cetaria gelebt. Ihre Familie hat für Edward Westerman gearbeitet. Deswegen hat er mir die Villa vermacht. Aber …« Sie warf ihm einen Blick zu. Seine Augen sahen glasig aus, aber sie konnte nicht beurteilen, ob das die Wirkung des Alkohols oder ihrer Worte war. »Aber das weißt du doch, oder?«
»Du hast mich angelogen«, sagte er.
»Das habe ich nicht.« Tess war empört. »Ich habe dir meinen Namen genannt. Ich habe dir gesagt, dass die Villa mir gehört. Alle anderen Dorfbewohner schienen schon zu wissen, wer ich war, bevor ich überhaupt hierhergekommen bin.«
»Du hast mich hereingelegt«, beharrte er.
»Unsinn.« Tess setzte sich neben ihn. Ihr wurde klar, dass sie ebenfalls wütend war. Schließlich war sie diejenige, die
Weitere Kostenlose Bücher