Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
leicht genervter Miene mit dem Rum kämpfte.
»Cranberry-Wodka und ein halbdunkles Bier …«
Alter Däne. »Tut mir leid«, sagte sie zu dem Dunklen, Verträumten. »Ich muss arbeiten …«
»Vielleicht später«, bedeutete er ihr tonlos, und sie nickte.
Ginny drehte sich um und stand Becca gegenüber.
»Hey!« Becca strahlte übers ganze Gesicht. »Was machst du denn hier, Gins?«
Ginny war geradezu lächerlich froh darüber, sie zu sehen. »Mein neuer Job«, erklärte sie. »Wo hast du Harry gelassen?«
Becca zeigte in eine Ecke, in der er mit einem seiner Kumpane zusammenstand. Die beiden kippten Bier wie Wasser, sodass es über ihre Kleider und auf den Boden spritzte.
Becca verdrehte die Augen. »Irgendein Saufmarathon«, sagte sie. »Armselig!«
»Mach ruhig zehn Minuten Pause, Schätzchen.« Brian atmete ihr direkt in den Nacken. »Unterhalt dich mit deiner Freundin.«
Die Band stand wieder auf der Bühne, und die Gästeschar an der Theke hatte sich ausgedünnt. Ginny trat um die Bar herum und umarmte Becca. Du hast mir gefehlt , hätte sie am liebsten gesagt, hielt sich aber zurück. Schließlich hatte Becca sie fallen gelassen, nachdem sie mit Harry zusammengekommen war. Becca war diejenige, die plötzlich keine Zeit mehr hatte, auf ihre SMS zu antworten oder sich mit ihr zu treffen.
»Du hast mir gefehlt«, sagte Becca. »Tut mir leid, dass ich in letzter Zeit so beschäftigt war.« Sie sah zu Harry, als versuche sie herauszufinden, warum.
Verknallt traf es wohl eher, dachte Ginny. »Schon gut«, sagte sie.
»Wie geht’s?«
»Okay. Im Moment wohne ich bei Nonna. Mum ist auf Sizilien.« Sie zog eine Grimasse. Andererseits merkte man kaum, dass sie nicht da war, denn sie rief jeden Abend an oder schickte eine SMS. Wahrscheinlich, dachte Ginny, kommunizierten sie mehr miteinander als vor ihrer Reise.
»Und Ben?«, schrie Becca ihr ins Ohr.
Herrgott, diese Band war laut . »Hab Schluss gemacht«, brüllte Ginny zurück. »Führte nirgendwohin.«
Becca nickte verständnisvoll. Sie hatte immer Verständnis. Ginny aber fragte sich, wohin die Sache mit Ben überhaupt hätte führen sollen. So wie es gewesen war, hatte es ihr jedenfalls nicht viel Spaß gemacht. Es war nicht so, als hätte sie von Ben irgendeine Absichtserklärung oder Verpflichtung erwartet. Wahrscheinlich hatte sie sich nur ein Zeichen dafür gewünscht, dass sie ihre Zeit nicht verschwendete. Schlussendlich begriff sie, dass er zwar ihr Erster gewesen war, aber dass sie der Jungfräulichkeit auch eine Bedeutung zugeschrieben hatte, die sie schlicht nicht besaß. Ben hatte zwar das richtige Aussehen gehabt, aber er war nicht besonders interessant gewesen.
Das sagte sie auch Becca.
Becca lachte und nickte. »Mit Freundinnen hat man viel mehr Spaß.« Sie versetzte Ginny einen Rippenstoß, und Ginny spürte ein leichtes Ziehen. Sie musste zusammengezuckt sein, denn Becca rückte näher heran.
»Was ist?«
»Nichts, ein bisschen Magenschmerzen.«
»Was ist los – wirklich?«
Genauso hatten sie früher miteinander geredet. Und plötzlich spürte Ginny das Bedürfnis, sich jemandem anzuvertrauen.
»Ich bin ein paar Wochen zu spät dran«, erklärte sie. »Nichts weiter.« Nichts weiter, so als wäre es nicht das Ende der Welt, wenn sie schwanger war. Sie spürte, wie der Druck der Kugel leicht nachließ. Aber sie hatte Bauchschmerzen, so als hätte sie Verstopfung. Fühlte es sich so an, schwanger zu sein?
»Was?«
Ginny wiederholte, was sie gesagt hatte. Dieses Mal brüllte sie es Becca ins Ohr. Warum erzähle ich es nicht gleich dem ganzen Pub, dachte sie.
»Mist«, sagte Becca. »Ich brauche eine Kippe. Lass uns nach draußen gehen.«
»Fünf Minuten«, bedeutete Brian ihr mit den gespreizten Fingern einer Hand. Ginny nickte.
»Hast du einen Test gemacht?«, fragte die praktisch veranlagte Becca, als sie draußen standen. Nach dem von vielen Menschen aufgeheizten Pub war es hier dunkel und kühl, und ihre Ohren summten. Ginny schlang die Arme um den Körper.
»Nööö.« Sie hatte sich nicht getraut. Ihr war der Gedanke gekommen, was ihre Mutter wohl sagen würde. Alter Schwede, sie würde durchdrehen. »Aber ich habe so ein Gefühl«, erklärte sie Becca. »Ich fühle mich nicht gut. Es fühlt sich an, als könnte ich es sein.« Sie kramte in ihrer Jeanstasche und zog eine Zigarette hervor, obwohl sie eigentlich keine Lust zum Rauchen hatte.
»Verdammt«, meinte Becca. Sie konnte so gut mit Worten umgehen, deswegen
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