Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
nachdem es einmal geschehen war, war sie nicht in der Lage gewesen, es rückgängig zu machen, obwohl er das wollte. So einfach war das.
»Du weißt ja, wie ich über Geld denke, aber …«
Wie gewonnen, so zerronnen, dachte Tess.
»Aber es handelt sich um die Art von Geld, die ein Leben verändern kann.«
Allerdings. Sie warf noch einmal einen Blick auf den Scheck. Woher kam das Geld? Hatte er eine Bank überfallen oder einfach im Lotto gewonnen?
»Ich will dein Leben nicht verändern«, schrieb er weiter, »aber ich möchte dir zurückgeben, was ich dir schuldig bin. Ich hoffe, du nimmst es an, und ich hoffe, dass du es gebrauchen kannst.«
Lieber Himmel … Tess griff noch einmal nach dem Scheck. Es waren wirklich fünfzigtausend Pfund, und er war tatsächlich auf ihren Namen ausgestellt.
Aber konnte sie das annehmen? War das nicht … unethisch oder so? Und was würde er dafür verlangen? Nichts, wurde ihr klar. David würde nichts erwarten, und das war eine seiner angenehmsten Eigenschaften.
»Ich hätte dich gern wiedergetroffen, Tess«, ging der Brief weiter. »Ich hätte das hier gern persönlich getan. Wahrscheinlich wollte ich herausfinden, ob du mir verzeihen kannst, dass ich nicht für dich da war, dass ich unserem Kind kein richtiger Vater war und alles …«
Und alles , dachte sie. Aber auf eine Art hätte sie ihn auch gern wiedergesehen. Nicht um alte Gefühle wiederaufleben zu lassen, das war unmöglich, sondern um der alten Zeiten willen.
»Ich hatte damit gerechnet, dass Ginny wütend sein würde. Dass sie mich vielleicht hassen würde. Aber sie scheint nicht so zu empfinden. Anscheinend ist sie ganz gern mit mir zusammen. Und ich gebe mir wirklich die größte Mühe, nichts Falsches zu ihr zu sagen.«
Tess lächelte.
»Und dann geht es auch um dich«, fuhr er fort. »Ich kenne dich, jedenfalls kannte ich dich früher, und ich schätze, dass du großmütig genug bist, um nichts dagegen zu haben, dass ich sie treffe und ich euch unterstütze. Besser spät als nie, oder?«
Da war sich Tess nicht so sicher. Es hatte ihr etwas ausgemacht, dass er Ginny traf, aber aus rein egoistischen Gründen. Jetzt dachte sie noch einmal darüber nach. Warum sollte sie ihrer Tochter das Recht verweigern, ihren eigenen Vater kennenzulernen? David hatte recht: besser spät als nie. Und er stellte keine Bedrohung für sie da. Wie könnte er auch?
Also, sollte sie das Geld annehmen? Wahrscheinlich nicht. Bis jetzt war sie allein gut zurechtgekommen.
Es gab noch ein PS. »Ginny ist dir übrigens großartig geraten. Sie ist wunderschön, und sie hat dein Lächeln.«
Tess faltete den Brief zusammen und steckte ihn zusammen mit dem Scheck wieder zurück in den Umschlag. Ja, Ginny war großartig geraten, aber hatte sie wirklich alles richtig gemacht? Als sie dem Sog Siziliens erlegen war, hatte sie die Distanz zwischen ihnen unnötig vergrößert, statt für sie da zu sein. Hatte Tess wirklich ein Recht auf so viel Zeit für sich selbst? Zuerst und vor allem war sie Mutter. Aber …
Sie hatte getan, was ihr zu dem Zeitpunkt richtig erschienen war, und niemand versuchte, ihr deswegen ein schlechtes Gewissen einzureden. Also sollte sie das Geld vielleicht annehmen. Sie lächelte. Andererseits …
60. Kapitel
D ie Düfte, dachte Flavia, waren das Herz der cucina . Sie erhielten sie am Leben, und sie waren es, die sie in den Küchen, in denen sie in England gekocht hatte, wieder zu erschaffen versucht hatte, zuerst bei Bea Westerman und dann im Azurro, aber auch in ihrer eigenen. Kardamom, Nelken, Besenginster und Honig, aromatisch und berauschend … Sonnengetrocknete Tomaten, Knoblauchzöpfe, auf Fäden gezogene rote Chilischoten, scharf, pudrig duftend und würzig … Karamell, Vanille, Aprikosen und Pfirsiche; süß, reichhaltig und fruchtig und an dolce erinnernd … Cannoli waren die ältesten und mit Sizilien am engsten verbundenen dolce , und bei Hochzeiten waren sie unerlässlich.
Diese mit Ricotta, Honig und kandierten Früchten gefüllten Teigrollen galten traditionell als Phallussymbol, und man trug sie früher bei Hochzeiten als Fruchtbarkeitssymbol auf. Canna bedeutet wörtlich »Röhre«, aber auch Gewehrlauf. Die scorza genannte knusprige Hülle muss eine Minute in sehr heißem Öl frittiert werden, um die Süße einzuschließen. Nachdem sie abgetropft und abgekühlt sind, werden die Hüllen gefüllt, mit Puderzucker überstreut und mit Orangeat und Zitronat dekoriert.
Flavia lächelte in sich
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