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Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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und gut, aber Tess befürchtete langsam, dass das Ganze als völliger Reinfall enden würde.
    Wie üblich frühstückte Tess auf der Terrasse. Es war windstill und warm, und wie gewohnt sah sie Tonino in der Bucht. Er stand auf dem weißen Felsen beim Aussichtspunkt. Sein Gesicht wirkte so rau wie der Stein, aus dem seine Werkstatt herausgehauen war. Sein Haar hob sich rabenschwarz vor dem blassblauen Morgenhimmel ab, und sein Körper – er trug heute schwarze Jeans und ein weißes T-Shirt – bildete vor dem dunkelblauen Ozean eine klar umrissene Silhouette.
    Er schaute aufs Meer hinaus. Dieser Mann sah ständig aufs Wasser hinaus, aber sie hatte ihn noch nie darin gesehen. Sie räumte ihr Frühstücksgeschirr zusammen und trug es in die Küche. Drinnen war die Villa kühl und doch einladend, das genaue Gegenteil von dem, was Giovanni ihr kürzlich beim Abendessen erzählt hatte. War Giovanni Sciarra ehrlich zu ihr?
    Als sie zur Bucht hinunterkam, arbeitete Tonino in seinem Atelier. Seit dem Vormittag, an dem er ihr Kaffee gekocht hatte, hatte er auf ihre Fragen meist einsilbig geantwortet, und seine Miene war weder freundlich noch feindselig, sondern gleichgültig gewesen. Tess machte das wütend. Sie hatte keine Ahnung, was er von ihr hielt, und aus irgendeinem Grund, über den sie nicht nachdenken wollte, verunsicherte sie das.
    Vor dem Schaufenster seines Ateliers blieb sie stehen. In der Mitte der Auslage glitzerte die Schlange dämonisch. Gern hätte sie ihn nach der Geschichte gefragt, der sie entstammte, aber Tonino trug eine Maske vor dem Gesicht und war sehr beschäftigt. Er schnitt Stein. Deshalb und weil Staub und Splitter gefährlich um ihn herumflogen, ging sie weiter.
    Wenn sie das nächste Mal herkam, dachte sie, während sie zum Strand ging und die sanften Wellen am Ufer ihre Zehen umspülen ließ, würde sie ihre Tauchausrüstung mitbringen und die Gegend richtig erkunden – was für sie unter Wasser bedeutete. Und sie würde mit Santina reden. Allein.
    Tess schloss die Augen. Sie würde die Ruhe hier vermissen, ganz zu schweigen von der Wärme. In England würde es kalt sein; hier dagegen ging der sizilianische Frühling bereits in den Sommer über. Am Himmel waren schon die ersten Hitzeschleier zu sehen. Sie blieb einen Moment stehen und genoss einfach das Gefühl der Sonne auf ihrer Haut.
    »Ciao.«
    Sie fuhr herum. Tonino stand da und sah sie an. Er hatte sich in der Zwischenzeit Shorts und seine üblichen Flipflops angezogen, trug aber immer noch das weiße, am Hals offene T-Shirt.
    »Ciao. Buon g …« Verdammt, sie stolperte über die einfachsten Begrüßungsworte. Warum, dachte sie zum tausendsten Mal, warum nur hatte ihre Mutter nicht Italienisch mit ihr gesprochen, als sie klein war? Inzwischen würde sie die Sprache fließend beherrschen. Aber sie kannte die Antwort auf die Frage. Sizilien war tabu. Italienisch zu essen war erlaubt. Sogar Muma war nicht in der Lage gewesen, sich das abzugewöhnen. Aber alles andere war non grata . »Ich habe nur die friedliche Stimmung auf mich wirken lassen.«
    Er nickte. »Es ist friedlich hier, ja. Ihnen gefällt unser Dorf, das kann man sehen.«
    »Glauben Sie, Sie werden immer hier leben?« Tess drehte den Fuß im Wasser. Sie stellte sich vor, dass er und seine Familie schon immer in Cetaria gewohnt hatten.
    »Es gibt hier alles, was ich brauche.« Und doch sah er, während er das sagte, wieder aufs Meer hinaus, und Tess nahm erneut diese Trauer bei ihm wahr. Er liebte diesen Ort, und er liebte das Meer. Aber die Sache war komplizierter. Er war komplizierter.
    »Und Ihre Familie?«, fragte sie.
    Er blinzelte und wandte sie wieder ihr zu. »Alberto Amato war mein Großvater«, sagte er.
    Tess zog eine Augenbraue hoch, als hätte sie diesen Namen noch nie gehört.
    »Er war Speerfischer. Eine Legende. Er konnte beim Freitauchen über vier Minuten lang die Luft anhalten und sechzig Meter tief tauchen.«
    Sie nickte. Das war ziemlich beeindruckend. »Und Ihr Vater?«
    »Er war ebenfalls Fischer. Er ist mit seinem Boot hinausgefahren. Im Mai und Juni hat er an der mattanza teilgenommen. Das haben sie alle getan.«
    »Mattanza?«
    »Das Einbringen des Roten Tunfisches, ein Ritual für sich.« Er zeigte auf die Gebäude, die ein Stück vom Ufer entfernt standen: das Lagerhaus mit seinen drei großen Torbögen und die verlassene Fabrik selbst, die nun langsam verfiel. »Sie haben als Team gearbeitet. Viele Männer in kleinen Booten.«
    »Wie das wohl

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