Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
Vom Netzwerk:
ging gar nicht, denn dazu besaß der Roller nicht genug Zugkraft. Aber der Wind in ihrem Haar und auf ihrem Gesicht fühlte sich gut an. Ihr ging es gut. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich zuletzt so gut gefühlt hatte. Es musste lange her sein.
    Ein Schuss erklang und hallte von den Hügeln wider. Herrgott! »Mafia?«, schrie Tess.
    Er lachte nur.
    Sie fuhren unter einem Viadukt hindurch, vorbei an hohen Zypressen. Zu ihrer Linken lagen Weingärten und Eukalyptusbäume zu ihrer Rechten. Dahinter erstreckten sich silbrige Olivenhaine, gelbe Weizenfelder und mit scharlachroten Mohnblumen, weißen Gänseblumen und stachligen gelben Disteln übersäte Wiesen. An einer Kreuzung verlangsamten sie ihr Tempo, und Tess sah am Straßenrand eine Eidechse über einen Fels huschen. Sie war grün und hatte eine orange Zeichnung. Sie dachte an Toninos Schlange und seinen Fisch, an die Kindheit ihrer Mutter und überlegte, wie vollkommen anders das Leben hier war.
    Die Straße war holprig und voller Schlaglöcher und Spurrillen, sodass Tess auf dem Sozius auf und ab hüpfte.
    Tonino bremste ab. »Segesta«, verkündete er.
    Neben einem Touristenbus stand ein alter Mann und verkaufte Eintrittskarten an eine Menschenschlange. Tess rechnete damit, dass Tonino anhalten würde, damit sie parken und sich ebenfalls anstellen konnten, doch stattdessen sauste er fröhlich winkend an dem Alten vorbei und fuhr dann die kurvenreiche Straße hinauf. Sie war allerdings ziemlich steil, und die Lambretta begann, an Tempo zu verlieren, bis sie schließlich nur noch im Kriechgang dahintuckerte.
    An einer Biegung hielt Tonino an und zeigte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Der hellenische Tempel«, erklärte er.
    Tess drehte sich um. Heiter und gelassen stand der aus honigfarbenem Stein errichtete Tempel da. Er beherrschte die Landschaft, und ihr wurde klar, dass hier die beste Stelle für den ersten Blick darauf war. Er sah aus, als hätte ihn ein freundlicher Gott aus dem Himmel gepflückt und hier abgestellt.
    Sie stiegen ab. Die Luft war schwer, und es war vollkommen ruhig. Alles, was Tess hörte, waren gelegentliches Vogelzwitschern und das Zirpen von Insekten – Grillen oder Zikaden vielleicht.
    Tonino schaute auf. »Die Schwalben sind aus Nordafrika zurück«, sagte er.
    Der einsame Tempel war von grünen und roten Ebenen umgeben, und der Berg war mit Eichen und Lorbeerbäumen bewachsen. Am Fuß der Hänge verlief ein ausgetrocknetes Flussbett, eine tiefe Rinne. Die Landschaft zog sie in ihren Bann. Das Land schien zu pulsieren wie ein riesiger Magnet. War das die Macht des Tempels oder die Energie des Landes – oder beides?
    Es vergingen einige Minuten, dann bedeutete Tonino ihr, wieder hinter ihm auf dem Roller Platz zu nehmen, und langsam fuhren sie zum Theater hinauf, das ganz oben auf dem Hügelkamm lag. Die Busladungen von Touristen mussten sich vor oder hinter ihnen befinden, denn sie waren allein.
    »Das ist fantastisch«, murmelte sie. Fast hatte sie Angst, zu laut zu sprechen. Das antike Theater war riesig. Der Halbkreis aus rauen, weißen, steinernen Sitzreihen fiel zur Bühne hin steil ab. Hinter der Bühne konnte sie Bäume, Berge, Täler und in der Ferne das Glitzern des Meeres erkennen.
    »Kommen Sie.« Tonino führte sie die grob gepflasterten Stufen hinunter zur Bühne des Theaters, wo sie sich auf das körnige Steinsims setzte, dessen Kanten im Lauf von Jahrhunderten abgeschliffen worden und nun rund waren.
    Er trat in die Mitte der Bühne, reckte grinsend die Arme gen Himmel und begann zu ihrer vollkommenen Verblüffung zu singen – auf Italienisch und in einer wunderbaren, vollen Tenorstimme. Tess saß regungslos da. Sie kannte die Arie; sie stammte aus einer italienischen Oper, vielleicht von Puccini. Aber sie hatte sie noch nie so gehört, in einem steinernen griechischen Amphitheater, unter einem sizilianischen Himmel, gesungen von einem der geheimnisvollsten Männer, die sie in ihrem Leben getroffen hatte.
    Als der letzte Ton verhallt war, verneigte er sich tief, und sie klatschte. »Unglaublich!«
    Er setzte sich neben sie auf den weißen Stein. »Können Sie sich vorstellen, wie es in griechischer Zeit hier ausgesehen hat? Die Bühne aus gestampfter Erde und Stein, die Sterne über Ihnen?«
    »Hmmm.« Tess umschlang ihre Knie. Sie bekam gerade eine Ahnung davon.
    »Eine warme, stille Nacht. Die Berge. Der dunkle Himmel, an dem Tausende von Sternen funkeln …«
    Er war ja ein richtiger

Weitere Kostenlose Bücher